Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Hochgenuss die ganze Portion auf. Es wurde ein langer Abend mit Bier und Wein und viel Reden. Endlich auch über Eric. Doch der Trennungsschmerz war durch die Ereignisse der letzten Tage irgendwie in den Hintergrund getreten, fand Sophie. Es war so eine entspannte Atmosphäre, als wären sie wirklich nach einem Abenteuer auf einer Insel gelandet. So viel Weichheit. Im Hotelzimmer, jede in ihrem Riesenbett, King Size, bat Sophie, ob Lene ihr noch aus der Chronik vorlesen würde.
» Ich möchte doch wissen, wie es mit den vier Schwestern weiterging.«
Lene begann:
Bis auf Marge, die sich gegen ihre Mutter durchgesetzt hatte, bestimmte Lona die Ehemänner für ihre Töchter, suchte sie nach Vermögen aus, damit ihnen nie das passieren sollte, was sie erlebt hatte - plötzlich arm zu sein– und alle drei wurden unglücklich.
Dorothea, die eigentlich in ein Kloster gehen wollte, wurde mit einem G eschäftsmann verheiratet. Als sie direkt nach der Hochzeit zu ihm ins Haus kam, beichtete er, dass er vollkommen verschuldet war. Ihr Geld sollte ihn vor dem Konkurs bewahren. Sie wurde dadurch eine sehr geizige Frau, brachte mit ihrer Sparsamkeit aber das Geschäft wieder in die schwarzen Zahlen.
Elis e, die fröhliche und warmherzige, hatte sich in einen Lehrer, einen Studienrat verliebt. Den durfte sie nicht heiraten, weil er nicht genug Geld besaß, und als sie aus Trotz dann wieder nach Amerika wollte, wurde auch sie mit einem Geschäftsmann, natürlich jetzt einem » wohlhabenden « , verheiratet. Nach einem Jahr Ehe mit diesem humorvollen und lebenslustigen Mann, den sie gern hatte, aber nicht liebte, bekam Elise eine Tochter – meine Mama. Jetzt war sie zufrieden mit ihrem Leben, zumal sie auch ihre Kreativität in das Geschäft ihres Schwiegervaters mit einbringen konnte. Bis…
Kapitel 28
1.August 1914
Elise riss den Brief aus Amerika auf. Ihr Herz klopfte, immer noch fühlte sie eine Sehnsucht in sich, wenn sie Nachrichten von ihrer Schwester bekam - aus Amerika, ihrem Traumland. Sie schrieben sich jetzt häufig, Marge erzählte begeistert von ihrem kleinen einjährigen Sohn und Elise antwortete und berichtete - ebenso begeistert – von ihrer Tochter, die gerade vier Monate war. Diese Briefe entzückten sie beide und während sie las, stellte sich Elise wie immer Marges Wohnung in Philadelphia vor. Sie schrieb, dass sie jetzt umziehen, nach Kalifornien gehen würden, wo Frank eine eigene Praxis eröffnen würde, mit zusätzlicher Arbeit in dem Krankenhaus dort. Bakersfield hieß die Stadt, aber Elise konnte sie in dem alten Atlas nicht finden. Marge klang stolz und voller Vorfreude. Typisch ihre Schwester! Immer wagemutig und neugierig auf das Leben. Wo Georg nur blieb? Er war wie immer am Samstag noch zum Bier mit Freunden in die Braustube zwei Häuser weiter gegangen und wollte doch zum Essen zu Hause sein. Nun wartete sie schon seit einer Stunde. Langsam wurde sie ärgerlich.
Plö tzlich nahm sie die Unruhe unten auf der Königsstraße wahr. Sie hatte den Brief hinten im Wohnzimmer gelesen, das auf den Innenhof hinausging. So ein Lärm! Sie rannte zum Fenster. Eine Menschenmenge zog durch die Straßen von Bamberg. Laut grölend. Dann verstand sie und wurde ganz starr. Krieg! Krieg! Um Gottes Willen, wo war Georg? Was würde das bedeuten für sie alle?Er hatte in den letzten Tagen schon ständig von einem möglichen Krieg gesprochen. Die ganze Woche war politisch so wirr gewesen, und sie hörte aus ihm immer eine beunruhigende Begeisterung heraus. Sie zitterte jetzt. Das war also der Grund, warum er noch nicht hier war. Sie hörte ihre kleine Magda schreien. Hunger! Ruhig, Elise, immer einen Schritt nach dem anderen, ermahnte sie sich. Da klopfte es. Eine Nachbarin.
» Wissen Sie schon, dass sie unsere Männer aus der Gaststätte mitgenommen haben?«
Elise riss entsetzt die Augen auf.
» Wen meinen Sie mit sie ?«
» Soldaten. Die Männer haben sie vom Stammtisch weg mit in die Kaserne genommen. O Gott, was soll nun werden?«
Es gelang Elise die Nachbarin irgendwie zu beruhigen. Dann kümmerte sie sich um ihre Kleine – einen Schritt nach dem anderen, diktierte sie sich dabei ständig – und schließlich stand sie am Fenster und wartete. Die Straße war immer noch unruhig, die Menschen redeten laut, suchten die Nähe der anderen. Meistens war da Begeisterung. Jetzt endlich konnten sie beweisen, wie großartig Deutschland war! Sie würden den Feind mutig schlagen. Es graute ihr vor
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