Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
deutlich, dass Professor Rosinski wusste, was – und welche von seinen Studentinnen, da war sich Mike sicher - er wollte. Er bot Mike einen Stuhl seinem Schreibtisch gegenüber an und Mike ließ einen schnellen Blick durch den Raum gleiten. Bücher über Bücher und auf dem Schreibtisch ein ziemliches Durcheinander. Es sah nach Arbeit aus.
» Wie soll ich Ihnen helfen können?«, fragte Rosinski in einer Mischung aus Herausforderung und Langeweile.
» Wir haben erfahren, dass Sie sich mit Joanne York, ihrer Studentin,…«
» Eine meiner Studentinnen«, berichtigte ihn Rosinski.
» … auch eine persönliche Beziehung hatten. Sie haben sicher gehört, dass Miss York ermordet wurde und für unsere Ermittlung ist jedes Detail von Wichtigkeit.«
Rosinski war bei der Erwä hnung des Mordes sichtlich in sich zusammengefallen. Alle Überheblichkeit fiel von ihm ab. »Es ist sehr bedrückend, so eine junge Frau! Sie wäre eine sehr kompetente Anwältin geworden. Ich wollte, ich hätte mehrere solcher Studenten – und Studentinnen. Also gut, was wollen Sie wissen? Das mit der persönlichen Beziehung ist allerdings Quatsch. Um es lapidar auszudrücken. Ich habe zwei- oder dreimal mehr aus Zufall mit ihr gegessen. Das war schon alles.«
» Was wollten Sie von Miss York?«
» Nichts. Ich habe mich einfach gern mit ihr unterhalten.«
» Worüber?«
» Was für eine Frage!« Rosinski fand zu seiner Abwehrhaltung und seiner saloppen Art zurück. Schnösel, dachte Mike.
» Das weiß ich doch jetzt nicht mehr. Über alles Mögliche. Sie war eine interessante Frau.«
» Offensichtlich, sonst wären Sie wohl nicht mit ihr Essen gegangen.« Mike beugte sich vor. »Machen Sie das mit all Ihren Studentinnen?«
Obwohl er an seiner Miene sah, dass ihn sein Gegenü ber sehr wohl verstanden hatte, wich der aus.
» Natürlich nicht. Aber mit einigen, die es mir wert erscheinen. Auch mit männlichen Studenten übrigens.«
» Wussten Sie, dass Miss York verlobt war?«
» Nein, aber das wäre auch nicht wichtig für mich gewesen. Ich wollte ja nichts von ihr.«
» Sie wollten nichts von ihr? Das ist mir allerdings anders berichtet worden. Zum Beispiel haben Sie Miss York zum Abendessen ausgeführt und da haben sie sehr wohl Annäherungsversuche gemacht.«
» Wer sagt das? Das ist ja wohl mehr Hörensagen oder wie würden Sie das bezeichnen, Detective?«
» Das wird sich noch zeigen. Auf jeden Fall ist es zu einer Szene zwischen Ihnen beiden gekommen, in der Sie außerordentlich wütend waren. Und zwar als Miss York Ihnen sagte, dass sie verlobt sei. Also kann es Ihnen doch nicht egal gewesen sein, oder?«
» Auf so eine Behauptung reagiere ich gar nicht. Ob ich wütend war oder nicht, ob ich eine Szene gemacht habe oder nicht, ist ja wohl kaum für eine Morduntersuchung relevant.«
» Doch, insofern, als mich im Moment alle Menschen interessieren, die zum Umfeld von Marc Snyder und Joanne York gehören. Und ganz besonders diejenigen, die auf einen der beiden oder auf beide wütend waren oder verärgert oder eifersüchtig oder was Sie wollen. Und das verstehen Sie als Jurist sicher?« Rosinski fühlte sich jetzt sichtlich unwohl in seiner Haut. Er versuchte das zu vertuschen. »Aber als Jurist weiß ich auch, dass Ihre Behauptungen absurd sind. Lassen Sie es sich gesagt sein. Ich hatte keine Wut auf Miss York und keinen Grund sie und ihren Verlobten umzubringen.
Und je tzt habe ich zu arbeiten. Good-bye.«
» Noch eine Frage. Wann waren Sie mit Miss York aus zum Abendessen? Und ich möchte Sie bitten, in Ihrem Terminkalender nachzusehen und zwar jetzt gleich.«
Diesmal verzichtete Rosinski auf Einwä nde. Zu genau hatte er die Schärfe in Fullers Stimme wahrgenommen. Ohne ein Wort griff er zu seinem Terminkalender und blätterte zurück. Dann reichte er das Buch hinüber zu Mike.
» Am 16. März. Hier steht es.«
» Das ist ja nicht sehr weit von dem Tattag entfernt. Noch eine Frage. Vielleicht können Sie da auch gleich im Terminkalender nachsehen. Wo waren sie am letzten Freitagnachmittag zwischen sieben und elf Uhr abends?«
Rosinski holte tief Luft.
» Jetzt werden Sie unverschämt, Detective Fuller. Ich werde mich über Sie beschweren!«
» Seien Sie nicht kindisch. Sie wissen, dass ich nur meine Arbeit tue. Also bitte …«
Rosinski blä tterte angestrengt in seinem Terminkalender. Fand den Tag offensichtlich und sah jetzt etwas verwirrt aus.
» Also, ich war bis sechs Uhr abends hier, hatte noch ein Seminar.
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