Auf Allie ist Verlass
ohne dass Erica, Caroline und Sophie sauer auf mich waren. Im Gegenteil, ich tat ihnen leid! Und ich würde doch in einer Limousine zu Glitterati fahren und im Luxushotel übernachten … Das entwickelte sich zu der besten Lüge aller Zeiten. Also … ein schlechtes Gewissen hatte ich schon … aber …
Lügen ist vertretbar, wenn niemand die Wahrheit herausfindet, die Lüge niemanden verletzt, wenn die Lüge nicht faustdick ist und teilweise auf der Wahrheit beruht. Das ist eine Regel.
Selbstverständlich wollte ich immer noch zu Missys Little Miss Majorette Wettkampf. Andererseits würde wahrscheinlich sogar Missy lieber in einer Limousine in die Stadt fahren, um all die tollen Sachen zu machen, zu denen ich eingeladen war. Echt jetzt, wann ging man schon zu Glitterati oder aß in der Cheesecake Factory oder übernachtete im Luxushotel?
Ich war sicher, dass Missy mich verstehen würde. Jeder eigentlich. Deshalb war meine Lüge völlig verständlich. Sie zählte kaum als solche. Eigentlich stimmte sie mit der Wahrheit überein. Mehr oder weniger.
Regel Nummer 4
In meiner Familie bekommt man
großen Ärger, wenn man lügt
An diesem Morgen fing es schrecklich an zu schütten, sodass wir die Pause in Raum 209 verbringen mussten. Manchmal finde ich das ganz schön, weil Mrs Hunter dann die alten Brettspiele aus ihrer Kindheit hervorholt und uns damit spielen lässt.
Ihre Spiele sind so altmodisch, dass wir uns darüber kaputtlachen. Ericas Lieblingsspiel zum Beispiel, das Spiel des Lebens mit kleinen Autos als Spielfiguren. Die Autos werden über ein Spielbrett geschoben, auf dem man ein Rad drehen muss, das bestimmt, wie viele Felder man mit dem Auto vorrücken kann. In den Autos sind kleine Löcher, in die man winzige rosafarbene und blaue Figürchen steckt – Vater, Mutter, Kinder, wie Erica sie nennt.
Ericas großes Ziel ist es, so viele Figürchen wie möglich in ihr Auto zu quetschen, obwohl das eigentlich nicht der Sinn des Spiels ist (der besteht darin, Karriere zu machen und Geld zu scheffeln). Aber Erica möchte ein Auto voller kleiner rosafarbener und blauer Figuren.
Ich mag das Spiel Cluedo . Das ist ein Detektivspiel, in dem es um Mord geht. Es ist mein Lieblingsspiel, aber der Einzige in unserer Klasse, der es ebenfalls mag, ist Joey Fields.
Sophie findet Cluedo zu düster. Sie spielt am liebsten Monopoly. Dabei muss man versuchen, möglichst viele Grundstücke zu kaufen. Wenn jemand auf eins deiner Grundstücke kommt, muss er zahlen. Ich hasse dieses Spiel mehr als jedes andere, das jemals erfunden wurde, sogar mehr als Scrabble. Das ist ein Wörterspiel, das nur Caroline gerne spielt. Das einzige Spiel, auf das wir Freundinnen uns alle einigen können, ist das Spiel des Lebens (auch wenn Erica es nicht richtig spielt).
Wir spielten also Spiel des Lebens – sogar Rosemarie machte mit, die in den Regenpausen sonst immer Fingerfußball mit den Jungen spielt –, als Cheyenne O’Malley mit ihren Freundinnen Marianne und Dominique (oder M und D, wie sie sie gerne nennt) im Schlepptau an unseren Tisch kam.
»Soso, Allie. Wie ich höre, fährst du mit einer Stretch-Limousine zu Glitterati.«
Ich war damit beschäftigt, im Spiel des Lebens große Taten zu vollbringen und hatte eigentlich keine Zeit, um mich mit Cheyenne zu unterhalten.
»Ja, und?«, fragte ich und drehte das Rad.
»Und ich wollte dir nur sagen, dass Glitterati total kindisch ist«, sagte Cheyenne.
»Das stimmt nicht«, sagte Rosemarie, ohne vom Spiel aufzuschauen. »Ich habe gehört, dass eine aus der Fünften letzten Monat da ihre Geburtstagsparty gegeben hat. Das kann also nicht stimmen, Cheyenne.«
Cheyenne lief rot an, ungefähr in dem Farbton der Figürchen in Ericas Auto.
»Und jetzt findest du dich wohl ganz toll, Allie«, sagte sie, »weil du am Wochenende in einer Limousine fährst, in der Cheesecake Factory isst und in einem coolen Hotel übernachtest.«
»Quatsch, am liebsten würde sie gar nicht hingehen«, sagte Erica und blickte von ihrem kleinen vollgestopften Auto auf. »Sie würde lieber mit uns zum Stabwurf-Wettbewerb meiner Schwester gehen. Aber wenn Allie nicht zu der Party geht, wird ihre Mutter vielleicht bei Good News gefeuert.«
Hmmm. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wenn das so weiterging, würden bald viel mehr Leute von meiner Lüge erfahren, als mir lieb war.
»Nur damit du Bescheid weißt«, fuhr Cheyenne fort. »Wenn du zu einer Party gehst, bei der die Eltern des Mädchens dich zum
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