Auf Allie ist Verlass
versprochen habe! Warte, dein letztes Stündlein hat geschlagen! Ich bringe dich um!«
Ich drückte Kevin aufs Bett und setzte mich auf ihn. Es war mir völlig egal, dass er viel kleiner war. Kevin verdiente den Tod.
»Hilfe!«, kreischte Kevin. »Hilfe! Hilfe! Onkel Jay! Sie bringt mich um!«
Es dauerte ungefähr fünf Sekunden, bis Mark ins Zimmer kam. Er blieb an der Tür stehen und brüllte die ganze Zeit: »Allie bringt Kevin um! Allie bringt Kevin um! Onkel Jay, komm schnell! Allie bringt Kevin um!«
Natürlich brachte ich Kevin nicht um. Ich saß nur auf ihm, und nicht mal so richtig. Das lag daran, dass Kevin sich immer wieder befreien konnte. Es ist verflixt schwer, auf einem Kindergartenkind zu sitzen, weil die so klein und wendig und so schwer zu packen sind. Kevin hielt nicht so lange still, dass ich mich richtig auf ihn setzen konnte. Keine Ahnung, wie Missy das immer hinkriegt, wenn sie sich auf eine von uns setzt und zu Boden drückt. Sie muss echt gut im Sitzen sein. Ich dagegen saß kaum auf Kevin drauf, als er sich schon wieder unter mir hervorwand. Wahrscheinlich lag das an den vielen Tanz- und Gymnastikkursen, die Kevin sich bei Mom und Dad erschlichen hatte.
»Allie!« Endlich erschien auch Onkel Jay an der Tür. Er packte mich unter den Achseln und zog mich von Kevin runter. Kevin kam auf die Beine und lachte sich kaputt, weil ich es nicht geschafft hatte, mich richtig auf ihn draufzusetzen, geschweige denn seine Arme festzuhalten und ihm ins Gesicht zu spucken. Aber als er sah, wie ängstlich Onkel Jay guckte, tat er so, als müsste er weinen.
»Aua!«, heulte Kevin. »Allie hat sich auf mich draufgesetzt! Sie ist schrecklich schwer!«
»Hab ich nicht«, schrie ich und stürzte mich auf ihn. »Es ging überhaupt nicht, weil du ständig abgehauen bist. Aber jetzt, du kleine Petze!«
Onkel Jay hielt mich am Arm fest und zog mich zurück.
»Hey, Moment«, sagte er. »Immer mit der Ruhe, hier! Worum geht’s denn überhaupt?«
»Kevin hat ein Geheimnis verraten, obwohl er versprochen hatte, den Mund zu halten«, antwortete ich. »Und jetzt weiß die ganze Schule Bescheid! Und meine Freundinnen auch!«
»Ich bin nicht schuld«, sagte Kevin. »Ich bin doch noch viel zu klein. Woher sollte ich wissen, dass ich das nicht erzählen durfte?«
»Zum Beispiel, weil ich dir meinen Nachtisch der ganzen Woche dafür angeboten habe, wenn du nichts sagst!«, schrie ich. »Wenn du schlau genug bist, das zu fordern, weißt du sicher auch, wann man die Klappe halten soll!«
»Ich bin nicht schuld!«, rief Kevin noch mal, als ich mich aus Onkel Jays Klammergriff befreite und wieder auf ihn losging. »Ich habe es nur Daniella erzählt. Woher sollte ich wissen, dass sie es jedem weitererzählt?«
»Hat sie gar nicht!«, schrie ich. »Sie hat es nur ihrer Schwester erzählt, und die ist in meiner Klasse, und jetzt wissen es alle in meiner Klasse! Du kannst von Glück sagen, dass mich nicht alle meine Freundinnen hassen!«
»Es sah nicht so aus, als würden sie dich hassen«, mischte Mark sich ein, der genüsslich von der Tür aus zugeschaut hatte. Er war schließlich nicht beteiligt. »Jedenfalls nicht, als ich gerade auf dem Rückweg von der Schule mit dem Fahrrad an euch vorbeigekommen bin.«
»Ich habe gesagt, er kann von Glück sagen«, erklärte ich. »Ich habe es nur meinen schauspielerischen Fähigkeiten zu verdanken, dass sie nun mir glauben und nicht Kevin.«
»Und warum?«, wollte Harmony wissen. Sie war mittlerweile auch nach oben gekommen und starrte uns mit verwirrter Miene an. In den Händen hielt sie einen Teller mit Schokoladenplätzchen, die etwas angebrannt waren. »Worüber redet ihr da eigentlich?«
Ich nahm die Hände runter. Wenn Kevin sich hinter Onkel Jay duckte, konnte ich ihn nicht umbringen. So kam ich nie an ihn heran. Eine gegen drei, da Onkel Jay und Harmony ihn verteidigten.
»Nichts«, sagte ich. Ich wusste genau, wenn ich Harmony von meiner dicken Lüge erzählen würde – dass Mom mich zwang, morgen zu Brittanys Geburtstagsparty zu gehen statt zu dem Majoretten-Wettbewerb von Ericas Schwester, weil Mr Hauser sonst bei Good News kein Geld mehr für Werbung ausgeben würde –, würde sie mich nicht verstehen. Obwohl es sich um eine Lüge für eine gute Sache handelte – aus Rücksicht auf Ericas Gefühle –, fanden die meisten Erwachsenen eine solch faustdicke Lüge unverzeihlich. Sie würden über den Teil hinweggehen, dass ich Ericas Gefühle nicht verletzen
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