Auf Befehl des Koenigs
Weder Jamie noch ihre vierbeinigen Freunde drosselten das Tempo, bis sie durch die offene Tür in die große Halle stürmten.
Abrupt blieb sie stehen. Zwei Krieger lehnten lässig am Kaminsims und erregten sofort Jamies Aufmerksamkeit. Völlig überrumpelt, konnte sie ihre Verblüffung nicht verbergen und riss die Augen auf. Unglücklicherweise klangen die ersten beiden Worte, die ihr entschlüpften, nicht besonders damenhaft. »Oh, verdammt!« Es war nur ein halbersticktes Flüstern, das sich ihrer Kehle entrang, aber da der größere der beiden Riesen die rechte Braue hob, hatte er es offenbar gehört.
Sie wagte nicht zu knicksen, denn hätte sie es versucht, wäre sie wegen ihrer zitternden Knie vermutlich auf dem Bauch gelandet. Und sie konnte ihren Blick nicht von dem größeren Mann abwenden, der nun ihre Beine unter den geschürzten Röcken begutachtete. Nie zuvor hatte sie ein so bösartiges Gesicht gesehen.
Entschlossen redete sie sich ein, sie habe keine Angst. Nein, dafür war sie viel zu wütend. Sie ließ die Röcke fallen, straffte die Schultern und hielt den durchdringenden Augen stand. Schließlich fiel ihr die Grabesstille in der Halle auf. Sie musterte ihre Schwestern. Die drei standen nebeneinander wie Verbrecherinnen, die auf ihre Hinrichtung warteten. Sobald Agnes Jamies mitleidigen Blick auffing, begann sie zu weinen. Alice legte ihr einen Arm um die Schultern, sichtlich bemüht, Trost zu spenden. Dieses Vorhaben schlug fehl, und sie brach ebenfalls in Schluchzen aus. Auch Mary, an Agnes’ Seite postiert, schien den Tränen nahe zu sein. Sie hatte die Hände vor der Brust ineinander geschlungen, sah Jamie beschwörend an, als wollte sie sagen: »Lieber Gott, schau dir die beiden doch an!« Dann senkte sie den Kopf.
Irgendetwas musste geschehen. Die Zwillinge durften keine Schande über die Familie bringen.
»Agnes, Alice – hört sofort zu heulen auf!«
Die zwei Schwestern wischten sich über die Augenwinkel und rangen nach Fassung. Erst jetzt bemerkte Jamie ihren Vater. Er saß am Tisch, ergriff einen der beiden Krüge, die vor ihm standen, und füllte seinen Becher. Offenbar lag es an ihr, die Besucher auf höfliche englische Weise zu begrüßen. Aber der Impuls, den Fremden vorzuwerfen, sie seien drei Tage zu früh gekommen, überwältigte Jamie beinahe. Ihr Pflichtgefühl siegte. Außerdem waren die beiden Schotten vermutlich zu dumm, um zu begreifen, wie ungehobelt sie sich benahmen.
Langsam ging sie zu ihnen. Als sie die Hunde neben sich knurren hörte, verscheuchte sie die drei mit einer heftigen Geste, dann brachte sie einen formvollendeten Knicks zustande, der ihrem Status als Hausherrin entsprach. Eine Haarsträhne fiel über ihr linkes Auge, während sie den Kopf neigte, und verdarb die geplante hochmütige Wirkung. Sie richtete sich auf, warf die Locken nach hinten und lächelte gezwungen. »Ich hätte Sie gern in unserem bescheidenen Heim willkommen geheißen, da kein anderes Familienmitglied die Gebote der Höflichkeit zu beachten scheint«, begann sie. »Aber wir waren nicht auf Ihre Ankunft vorbereitet, und das werden Sie hoffentlich verzeihen, wenn Sie bedenken, dass wir erst in drei Tagen mit Ihrem Erscheinen gerechnet haben.« Während dieser kurzen Rede starrte sie die Kriegerstiefel an, dann blickte sie auf. »Ich heiße …«
»Lady Jamie«, fiel ihr der kleinere Riese ins Wort.
Sie hatte auf einen Punkt zwischen den beiden gestarrt. Nun wandte sie sich zu dem Mann, der soeben gesprochen hatte. Er sah nicht so gemein aus wie der andere. Das entschied sie, als er lächelte, denn dabei bildete sich ein nettes Grübchen auf einer Wange. Und die grünen Augen funkelten fröhlich. Doch das weckte ihr Misstrauen. Der Mann wirkte viel zu heiter angesichts der betrüblichen Umstände und der heulenden Zwillingsschwestern. Nun, in seiner Beschränktheit versteht er wahrscheinlich nicht, was er angerichtet hat, dachte sie. Er ist ja nur ein Schotte.
»Und Ihr Name, Mylord?«, fragte sie kühl.
»Daniel.« Er wies auf seinen Begleiter. »Und er heißt Alec.«
Sein Grinsen erwies sich als ansteckend. Ein Charmeur, sagte sich Jamie und lächelte unwillkürlich zurück. Mit seinem Begleiter wollte sie eigentlich nicht reden, aber ihr blieb nichts anderes übrig. Mühsam behielt sie ihr Lächeln bei und schaute ihn an.
Sein Blick, heiß wie die Mittagssonne, schüchterte sie mühelos ein. Er schenkte ihr kein Lächeln, und ihr eigenes erlosch. Plötzlich geriet sie in
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