Auf Befehl des Koenigs
wiedergewonnen hat, wird er sicher ein klärendes Wort mit Jamie sprechen, dachte er. Doch der Mann war immer noch den Tränen nahe. Leidenschaftlich hatte er gegen Alecs beiläufige Mitteilung protestiert, er habe Jamie gewählt.
Aber Alec war unnachgiebig gewesen. Er bezähmte sein Temperament, während Jamison all die selbstsüchtigen Gründe nannte, die nach seiner Ansicht gegen diese Hochzeit sprachen. Nichts davon berücksichtigte Jamies Wohl, und Alecs Zorn wuchs. Die Aufzählung all dieser Pflichten erklärte die schwieligen Hände des Mädchens. Der Baron wollte seine jüngste Tochter nicht aus Liebe bei sich behalten, sondern weil er eine stets verfügbare Sklavin brauchte.
Ein sichtlich verstörter Diener kam in die Halle gelaufen. Dem Baron gönnte er nur einen kurzen Blick, ehe er zu Jamie eilte. Ungeschickt verbeugte er sich, dann flüsterte er: »Der Priester ist schon unterwegs, Mistress. Er hat seinen Hochzeitsornat angelegt.«
Jamie nickte ihm zu. »Es war sehr freundlich von Ihnen, Ihre Pflichten zu vernachlässigen, um Vater Charles zu holen, George. Möchten Sie an der Trauung teilnehmen?«
Anbetend sah er sie an. »Dafür bin ich nicht passend gekleidet.«
»Wir auch nicht«, wisperte Jamie.
»Kleiden Sie sich rasch um, Mary«, schlug Daniel vor. »Goldgelb ist meine Lieblingsfarbe. Wenn Sie ein solches Gewand besitzen, dann tragen Sie es, um mir einen Gefallen zu erweisen. Wenn nicht – auch Weiß wäre angemessen. Ich werde Sie heiraten, Lady Mary.«
Lord Daniel Ferguson fing Lady Mary auf, ehe sie zu Boden sank. Es störte ihn keineswegs, dass seine Braut die Besinnung verloren hatte. Lachend drückte er sie an sich und rief seinem Freund zu: »Sie ist ganz überwältigt vor Dankbarkeit, Alec!«
»Aye, das sehe ich.«
Ungeduldig wandte sich Jamie zu Alec. »Nun, welchen Zwilling nehmen Sie, Mylord?«
»Keinen.«
»Keinen?«
Sie hatte es noch immer nicht begriffen. Alec seufzte. »Ziehen Sie sich bitte um, Jamie. Ich bevorzuge Weiß. Könnten Sie sich beeilen? Es wird immer später. Wir müssen aufbrechen.«
Er hatte absichtlich mehr gesagt als nötig, weil er ihr Zeit geben wollte, sich zu fassen. Und er fand sein Verhalten äußerst rücksichtsvoll.
Anfangs konnte sie den Kriegsherrn nur voller Entsetzen anstarren, und als ihr die Stimme endlich wieder gehorchte, schrie sie: »Ehe ich Sie heirate, müsste in der Hölle die Eiszeit einkehren, Mylord!«
»Soeben haben Sie das schottische Hochland im Winter sehr treffend beschrieben, Mädchen. Und jetzt werden Sie mich heiraten.«
Genau eine Stunde später wurde Lady Jamison mit Alec Kincaid getraut.
Kapitel 4
Bei ihrer Hochzeit trug sie ein schwarzes Kleid, um dem Schotten zu trotzen und ihn zu ärgern. Das misslang kläglich, denn als sie in die Halle zurückkam, schaute er sie nur kurz an, dann begann er so schallend zu lachen, dass beinahe die Deckenbalken herunterfielen.
Sie ahnte nicht, wie sehr ihn ihr rebellisches Wesen entzückte, sonst hätte sie sich nicht so bemüht, ihn zu provozieren. Wüsste sie, wie abgrundtief ich Tränen hasse, würde sie wahrscheinlich weinen, dachte er. Doch dabei würde sie nicht so überzeugend wirken wie die Zwillinge … Sie bewegte sich wie eine Königin, mit kerzengeradem Rücken, vor keinem Mann beugte sie den Kopf, und es wäre ihr sicher schwer gefallen, weibliche Schwäche zu mimen.
Trotz ihrer Trauerkleidung sah sie zauberhaft aus. Vor allem die Augen zogen ihn immer wieder in seinen Bann. Würde er sich jemals an ihre Schönheit gewöhnen? Hoffentlich … Nichts durfte ihn von seinen vorrangigen Pflichten ablenken.
Jamie gab ihm Rätsel auf. Wie er wusste, war sie in England geboren und herangewachsen. Trotzdem erschien sie ihm kein bisschen feige. Wie konnte ein solches Wunder zustande kommen? Schließlich entschied Alec, ihre Unschuld und mangelnde Furcht müssten daran liegen, dass sie das sittenlose Leben an König Henrys Hof nicht kannte. Glücklicherweise war Lady Jamie nie mit den Ausschweifungen am Londoner Hof konfrontiert worden.
Eigentlich müsste ich dem Baron danken, weil er die Pflichten gegenüber seinen Töchtern vernachlässigt und sie vom Hof fern gehalten hat, überlegte Alec. Er wollte seine Dankbarkeit in Worte fassen, bezweifelte aber, Gehör zu finden. Jetzt schluchzte der Mann wirklich und wahrhaftig, und Alec fühlte sich zu abgestoßen, um ihn anzusprechen. Es drehte ihm den Magen um. Noch nie war ihm ein erwachsener Mann begegnet, der sich
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