Auf Befehl des Koenigs
das nicht ausreicht, um mein Haar vor der Zeit grau zu färben … Vater, ich glaube, wir beide müssten gute Freunde werden. Und damit sollten wir am besten anfangen, indem Sie mich Jamie nennen. Finden Sie nicht auch?«
»Ich finde vor allem, dass Sie ein goldenes Herz haben, Jamie. Und Sie bringen frischen Wind in dieses alte Gemäuer. Den hat es dringend nötig.«
»Aye, Vater, sie hat ein goldenes Herz«, mischte sich Alec ein. »Diesen Fehler muss sie überwinden.«
»Ein gutes Herz ist kein Fehler.« Sie war froh, dass sie bei dieser Äußerung den Priester angeschaut hatte, sonst wäre ihr die Sprache weggeblieben. Entgeistert starrte sie ihren halbnackten Mann an. Als einziges Zugeständnis an die Zivilisation verhüllte ein weißes Hemd seinen kräftigen Oberkörper. Teilweise wurde es von einem Tartan über einer Schulter verdeckt. Dazu trug er einen Faltenrock aus dem gleichen karierten Stoff, in der Taille von einem Gürtel festgehalten. Die schwarzen Stiefel, an abgewetzten Stellen grau, verdeckten nur teilweise die muskulösen Beine. Seine Knie waren nackt wie ein Babyhintern.
Alec glaubte, seine Frau würde jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Er verbarg seinen Ärger und wartete geduldig, bis sie sich von ihrem Entsetzen über seine Kleidung erholt hatte. Dann fragte er: »Wie geht es Angus?«
»Wie, bitte?« Jamie starrte immer noch auf seine Knie.
»Wie geht es Angus?«, wiederholte er etwas lauter.
»O ja, Angus – natürlich.« Sie nickte ein paar Mal. »Es geht ihm gut.«
»Schau mir ins Gesicht, wenn du mit mir redest, Frau.«
Alecs scharfe Stimme verwirrte sie, und sie gehorchte hastig.
Seine Augen verengten sich, als er ihre hochroten Wangen bemerkte. »Wie lange wird es wohl dauern, bis du dich an meinen Aufzug gewöhnt hast?«
Sie hatte ihre Fassung ziemlich schnell wiedergewonnen. »Welchen Aufzug?«
Erbost beschloss er, sie in noch größere Verlegenheit zu bringen. »Frau, du hast mich bereits gänzlich unbekleidet gesehen, und jetzt führst du dich auf …«
Jamie rannte zu ihm und presste eine Hand auf seinen Mund. »Ich habe deinen nackten Körper gespürt, mein Gemahl, aber nicht gesehen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.« Als ihr bewusst wurde, was sie tat, ließ sie ihre Hand rasch sinken und trat zurück. »Du solltest dich in Gegenwart eines Priesters an deine Manieren erinnern.«
Er verdrehte die Augen, und sie nahm an, dass er den Himmel um Geduld anflehte.
»Nun, was wolltest du mir sagen, Alec?«
»Ich will mit Angus sprechen«, erklärte er und ging auf das Krankenbett zu, aber sie versperrte ihm den Weg, die Hände wieder in die Hüften gesetzt.
»Er schläft jetzt. Du kannst dich später mit ihm unterhalten.«
Alec traute seinen Ohren nicht. »Weck ihn!«
»Das hast du vermutlich soeben getan«, murmelte sie.
Er holte tief Luft. »Weck ihn!« Etwas sanfter fügte er hinzu: »Und – Jamie …«
»Ja?«
»Sag mir nie wieder, was ich tun und was ich lassen soll.«
»Warum nicht?«
»Wie bitte?«
Ehe sie den Mut aufbrachte, ihm zu antworten, rief sie sich sein Versprechen, nie die Geduld mit ihr zu verlieren, ins Gedächtnis zurück. »Warum soll ich dir nicht sagen, was du tun und was du lassen sollst?«
Offensichtlich missfiel ihm diese Frage. Seine Kinnmuskeln spannten sich an und zuckten. Jamie überlegte, ob er schon immer an dieser nervösen Angewohnheit gelitten oder ob er sie erst in jüngster Zeit entwickelt hatte.
»So ist das hier nun mal«, platzte Vater Murdock heraus, stand auf und eilte zu Lady Kincaid. Seine Sorge war begründet. Er kannte Alec schon lange – ebenso den Ausdruck, den er jetzt in den Augen des Lairds sah. Deshalb mischte er sich Jamie zuliebe ein, ehe das Temperament mit ihrem Mann durchging. Sicher würde sie bald lernen, wie gefährlich es war, Zweifel an den Worten eines so mächtigen Kriegsherrn zu äußern. Bis dahin werde ich auf sie aufpassen, beschloss der Priester. »Deine Frau ist noch nicht lange in Schottland, Alec. Es lag sicher nicht in ihrer Absicht, dich herauszufordern.«
Alec nickte, und Jamie schüttelte den Kopf. »Doch, ich wollte ihn herausfordern, Vater – wenn ich auch nicht unverschämt erscheinen möchte. Er soll mir erklären, warum ich ihm nicht sagen darf, was er tun und lassen soll. Er sagt es mir oft genug.«
»Ich bin dein Mann und dein Laird. Genügt dir das?« Die Kinnmuskeln zuckten wieder. Fasziniert starrte sie darauf und überlegte, welche Arznei sie ihrem Mann geben
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