Auf Befehl des Königs
erschütterndem Schluchzen aus ihr heraus. Kraftlos fiel sie zu Boden, barg das Gesicht im Kissen und weinte ihren Kummer hinaus. Als ihre Tränen schließlich versiegten, übermannte sie erneut ein tiefer Schlaf der Erschöpfung.
Die Geräusche, welche sie später weckten, wurden von Mägden verursacht, die sich eifrig in ihrem Gemach zu schaffen machten. Marguerite schlug die Augen auf und blinzelte in die helle Morgensonne, die durchs Fenster strömte und den Raum mit Licht erfüllte. Ohne sich zu erinnern, wie sie dahin gekommen war, fand sie sich im Bett wieder, bis zum Hals in warme Decken gehüllt. Die Reisekörbe mit ihren Kleidern standen herum und wurden von zwei jungen Mädchen unter Edmees wachsamer Anleitung ausgepackt und in einer großen geschnitzten Holztruhe verstaut. Dann bemerkte Edmee, dass ihre Herrin erwacht war.
"Madame, Ihr seid wach! Waren wir zu laut? Euer Herr Gemahl war der Meinung, Ihr würdet Euch heimischer fühlen, wenn Ihr beim Aufstehen Eure vertrauten Gegenstände vorfindet."
"Ach ja?" Mehr wollte sie dazu nicht sagen. Teilnahmslos stellte sie fest, dass genau das geschah – ihre Kleider wurden sorgfältig gefaltet und eingeräumt; ihr Spiegel, ihre Haarbürsten und Kämme lagen fein säuberlich auf einem zierlichen Frisiertisch neben dem Fenster.
"Es tut mir Leid, dass ich nicht hier war, als Ihr letzte Nacht aufgewacht seid, aber Euer Herr Gemahl hatte mir befohlen, in der Halle etwas zu essen."
Edmee fuhr fort, ihre Abwesenheit zu erklären, aber Marguerite hörte ihr nicht zu, fragte sich nur verwundert, wie sie von der Fensterbank in ihr Bett gekommen war. Marguerite warf den beiden Mädchen einen Blick zu, die ihre Arbeit verrichteten, ohne auf das Gespräch zu achten, da sie ihre Sprache nicht verstanden.
"Edmee, sprechen die Mädchen kein Normannisch?"
Die beiden redeten leise miteinander, ohne zu ahnen, dass von ihnen die Rede war. Bevor Edmee antworten konnte, klopfte es. Die Tür wurde geöffnet, und Diener traten ein mit einem Holzzuber und Wassereimern. Mit Umsicht wurde ein Bad für sie bereitet, Schüsseln und Platten mit Essen wurden auf dem Tisch abgestellt. Sobald dies erledigt war, zogen sich die Diener stumm zurück. Marguerite glaubte beinahe zu träumen.
Orricks Anblick, der plötzlich auf der Schwelle stand, belehrte sie jedoch eines Besseren.
"Mylady, gestattet mir, Euch in meinem Heim zu begrüßen", sagte er mit einer höflichen Verneigung. Er sprach englisch, was sie mit gespieltem Unverständnis quittierte. Marguerite war nicht bereit, ihn wissen zu lassen, dass sie seine Sprache verstand. Deshalb bedachte sie ihn mit einem verständnislosen Blick und wartete.
"Da mir bekannt ist, dass Ihr mehrere Sprachen in Wort und Schrift beherrscht, hatte ich gehofft, Englisch sei darunter", fuhr er im normannischen Französisch ihrer Heimat fort.
Sie warf Edmee einen Blick zu, um sie zu warnen, bevor sie etwas erwiderte.
"Nein, ich spreche meinen normannischen Dialekt und französisch, wie es bei Hofe gesprochen wird, auch Latein und Griechisch und ein wenig italienisch, aber nicht englisch. Ich spreche die auf dem Kontinent üblichen Sprachen, wo ich hoffte, mein Leben zu verbringen." Ihre Worte sollten ihn verletzen und ihm deutlich machen, wie sehr sie es verabscheute, in diesem abgelegenen Winkel des Plantagenet-Reiches im Exil zu sein.
Sie wusste nicht, ob ihre Pfeilspitze getroffen hatte, da er nur nickte und die Dienerinnen fortschickte. Edmee zögerte einen Moment, doch nach Orricks finsterem Blick knickste sie hastig, huschte aus dem Zimmer, und er schloss die Tür hinter ihr.
"Mylady", begann er und trat näher. "Da Ihr offenbar eine große Sprachbegabung besitzt, bitte ich Euch, auch meine Muttersprache zu lernen. Als Burgherrin müsst Ihr in der Lage sein, Euch mit meinen Untertanen zu verständigen."
"Ich werde nicht lange genug bleiben, um in diese Verlegenheit zu kommen", platzte sie heraus. Tief in ihrem Innern wollte sie ihre Situation immer noch nicht wahrhaben, glaubte nach wie vor, Henry wolle sie nur noch länger auf die Folter spannen und habe sie nicht für immer verstoßen.
Lord Orrick durchquerte den Raum, baute sich drohend vor ihr auf und wollte sie nötigen, den Kopf zu heben. Sie weigerte sich und drehte das Gesicht zur Seite. Er aber hob ihr das Kinn mit zwei Fingern und zwang sie, ihn anzusehen. Sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, wäre sinnlos gewesen, hätte ihr nur blutunterlaufene Flecken am Kinn eingebracht,
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