Auf Befehl des Königs
zu hören und meine Kenntnisse ein wenig aufzufrischen, Mylady." Damit wandte er sich an Orrick. "Verzeiht, Mylord, dass ich Eure Gemahlin so sehr in Anspruch genommen habe."
"Dafür besteht kein Grund, Godfrey, da ich sehe, wie erfreut sie ist, Eure Bekanntschaft gemacht zu haben."
"Nun muss ich allerdings noch Euch mit Beschlag belegen, Orrick, weil wir die Rechnungsbücher des letzten Monats prüfen müssen. Mylady, wie Ihr wisst, sind wir ein Männerkloster. Deshalb muss ich Euch und Eure Zofe höflichst ersuchen, Eure Bewegungsfreiheit auf diesen Trakt, die Kapelle und den Innenhof zu beschränken."
"Ich verstehe, Hochwürden. Lord Orrick, werden wir die Nacht in der Gegend verbringen oder noch heute nach Silloth aufbrechen?"
"Ich besitze ein kleines Haus vor den Klostermauern, Mylady. Dort übernachten wir und brechen morgen auf." Er bemühte sich, irgendeine Regung in ihren Augen oder in ihrem Gesicht zu lesen, doch sie verriet nichts.
"Mylady, wenn Ihr den Flur entlang bis zur vierten Tür zu Eurer Linken geht, sagt dem Mönch, der dort Dienst tut, dass ich Euch schicke", erklärte Godfrey.
Orrick unterdrückte ein Schmunzeln. Schließlich war ihm bekannt, was Marguerite hinter dieser Tür erwartete. Zu gerne hätte er ihr Gesicht gesehen, wenn ihr die Bibliothek geöffnet wurde. Vermutlich war sie der Meinung, der Mönch werde ihr eine Kammer zuweisen, wo sie sich ausruhen konnte. Marguerite bedankte sich mit einem anmutigen Nicken des Kopfes und verließ das Zimmer, gefolgt von Edmee.
"Weiß sie, was ihr bevorsteht?"
"Nein, ich wollte sie damit überraschen."
"Denkt Ihr, ihr gefällt es?", erkundigte Godfrey sich flüsternd.
"Davon bin ich überzeugt. Soweit ich sie kenne, wird sie überwältigt sein."
"Dann wollen wir uns an die Arbeit machen, Orrick. Während sie sich an den Schätzen unserer Abtei erfreut, wollen wir unsere Pflicht erfüllen."
"Habt Ihr Bruder David von ihrer Ankunft unterrichtet?"
"Ja. Aber wenn sie so überschwänglich darauf reagiert, wie Ihr sagt, braucht David vielleicht Hilfe."
Froh gelaunt folgte Orrick dem Abt den Flur entlang in die entgegengesetzte Richtung – in der Gewissheit, dass Marguerite den Raum, sobald sie ihn einmal betreten hatte, nicht mehr so schnell verlassen wollte.
Winzige Staubflusen tanzten glitzernd in den schräg einfallenden Sonnenstrahlen, während Marguerite sich immer wieder im Kreis drehte und sich nicht satt sehen konnte. Schwindlig geworden, hielt sie endlich inne, hatte beinahe vergessen zu atmen. Der Ordensbruder, welcher sie eingelassen hatte, stand mit einem wissenden Lächeln ein wenig abseits. Sie ahnte, dass Orrick diese Überraschung geplant hatte.
Regale mit in Leder gebundenen Büchern bedeckten die Wände von den Holzdielen bis zur gewölbten Decke. Durch hoch an den Wänden eingelassene Fenster drang das Tageslicht. Die gebündelten Sonnenstrahlen brachten die goldenen Lettern der Bucheinbände zum Leuchten.
Marguerite stand in der Mitte einer außergewöhnlich kostbaren Bibliothek und bemühte sich, einige Titel der Einbände zu entziffern. Andächtig trat sie näher an die Reihen und kam aus dem Staunen über die Schätze dieser einmaligen Schriftensammlung nicht hinaus.
"Es ist ein Wunder", flüsterte sie halblaut, als sie Werke erkannte, die sie nur vom Hörensagen kannte. Nie hätte sie sich erträumt, diese Schriften je wirklich zu Gesicht zu bekommen. Die Ilias in griechischer Sprache, Das Rolandslied, verschiedene Ausgaben der Heiligen Schrift und andere religiöse Schriften. Während sie langsam an den Regalen entlangschritt, entdeckte sie Bücher in der karolingischen Sprache ihrer Vorfahren, Schriften berühmter römischer Dichter und Philosophen, darunter Vergils großes Epos Äneis und andere Werke in Italienisch und Latein. Auch Bücher in orientalischen Sprachen waren vorhanden, die ihr fremd waren. Sie entdeckte ein umfangreiches Werk von Dioscorides, einem berühmten griechischen Arzt, der in Rom zur Regierungszeit von Kaiser Nero gewirkt hatte und in fünf Büchern, De Materia Medica, die gesamten pharmazeutischen Kenntnisse und Errungenschaften seiner Zeit gesammelt und niedergeschrieben hatte. Marguerite verspürte den unwiderstehlichen Wunsch, wenigstens einen Band dieser kostbaren Sammlung in die Hand zu nehmen.
"Mylady, wenn Ihr mir sagt, welches Werk Ihr Euch näher ansehen wollt, hole ich es gern herunter", sagte Bruder David.
"Wirklich? Darf ich darin lesen?" Ihre Hand streckte sich wie
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