Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt
von 22 Jahren schon ziemlich abgebrüht. Sie hatten einen knallharten Banküberfall durchgeführt. Morgens fingen sie die erste Angestellte am Hintereingang der Bank ab und zwangen sie mit vorgehaltener Pistole, einer Attrappe, die Zahlenkombination zum Öffnen der Tür einzugeben. Die Banken sind auf solche Überfälle jedoch vorbereitet. In dem Moment, als die Täter die Angestellte durch die sich öffnende Tür in die Bank schoben, lag bei der nächsten Polizeidienststelle bereits ein stummer Alarm vor. Während einer der Täter oben an der Tür blieb und einen Angestellten nach dem anderen |87| mit der Waffe in Empfang nahm und in Schach hielt, zwang der andere die Bankangestellte unten im Tresorraum mit vorgehaltener Pistolenattrappe und brutalen Schlägen mit einem Schlagstock zur Öffnung des Tresors. Dann gab es oben an der Hintertür Probleme. Ein Postbote hatte geklingelt und wurde von dem Täter unter Waffenandrohung aufgefordert hereinzukommen. Das tat er auch, fing aber sofort an, mit dem Täter zu ringen, obwohl der ihm dabei die ganze Zeit die Pistole vors Gesicht hielt und rief: »Ich schieße!« Kämpfend gelangten beide auf den Innenhof. Später gab der Postbote an, dass er die Pistole zwar nicht als Attrappe erkannt, es aber nicht für möglich gehalten habe, dass der Täter so dreist sein und schießen würde.
Dem anderen Täter gelang es, 80 000 Euro aus dem Tresor zu nehmen, in einer Plastiktüte zu verstauen und zur Eingangstür zu rennen. Dort wurde er von der Polizei in Empfang genommen. Wenig später war auch sein Kompagnon auf dem Innenhof gefasst. Bei einer Wohnungsdurchsuchung – beide lebten noch bei ihren Eltern – fand man in ihren Zimmern Prospekte für ein BMW Cabriolet zu einem Kaufpreis von 37 000 Euro.
Die beiden waren für die Polizei keine Unbekannten. Zu ihrer Person fanden sich Einträge wie Diebstahl, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer im Bundeszentralregister. Diese Taten waren aber alle unter das Jugendstrafrecht gefallen, das bei Tatbegehung vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres immer und bis zum Erreichen des 22. Lebensjahres meistens zur Anwendung kommt. Die verhängten Sanktionen waren Weisungen, Jugendarrest und schließlich auch eine Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war.
|88| Die Bestrafung Jugendlicher und Volljähriger bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (zwischen 18. und 21. Lebensjahr spricht man von Heranwachsenden) wirkt auf Außenstehende oft zu milde und lasch. Das zugrunde liegende Konzept ist aber unbestreitbar richtig. Im Vordergrund steht der Gesichtspunkt, dass das Urteil gegen den Jugendlichen vor allem eine Erziehungsmaßnahme darstellt. Es gilt, dort weiterzumachen, wo Eltern oder hilfreiche Institutionen, wie zum Beispiel gemeinnützige Vereine und schulische Einrichtungen, die Jugendlichen nicht mehr erreichen können. Es ist nicht nach der schuldangemessenen Strafe zu suchen, sondern danach, durch welche Maßnahmen die noch formbare Seite des jungen Menschen am besten angesprochen werden kann. Immer wieder müssen Jugendstaatsanwälte und Jugendrichter dabei über ihren Schatten springen und dem jungen Angeklagten noch eine Chance geben. Oft ist es auch schon die zweite oder dritte. Da, wo eine harte Strafe die logische Konsequenz zu sein scheint und jede Milde auf Unverständnis bei den Opfern stößt, muss der Jugendrichter sich unerschütterlich in seinem Glauben an das Gute und Wertvolle in jeder einzelnen jungen Persönlichkeit zeigen. Auch bei schweren Straftaten und entsprechenden Vorstrafen fragen sich Jugendstaatsanwalt und Jugendrichter dreimal, ob eine Jugendstrafe verbüßt oder deren Vollstreckung nicht doch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Besteht die Möglichkeit, dass der junge Mensch vielleicht noch ohne Freiheitsentzug seinen Weg ins bürgerliche Leben findet? Wird er in der Jugendhaftanstalt nicht erst recht an ein kriminelles Leben gewöhnt? Würde er seine Lehrstelle verlieren oder daran gehindert, eine solche anzutreten? Der Jugendrichter ist von Berufs wegen Optimist und es kann für |89| ihn nie ein »Ende der Geduld« geben. Allerdings wird diese »Geduld« nirgendwo in der Bundesrepublik so sehr auf die Probe gestellt wie in Berlin mit seinen Problembezirken und unglaublich brutalen Jugendbanden. Der Vollzug von Jugendstrafe lässt sich da nicht immer vermeiden, aber der Richter muss es als Niederlage empfinden. Er
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