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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihre Spiele bei einer Weltmeisterschaft absolvierte. Der Verurteilte saß schon viele Jahre in Haft, als ihm einfiel, dass er bei seiner Festnahme eine teure Sonnenbrille getragen hatte. Die war dann weg und er wollte sie nun (wahrscheinlich für den Hofgang) zurückhaben. Auf seinen Antrag hin hatte damals Anna in den zwölf Bänden die sichergestellten Gegenstände mühsam herausgesucht. Eine Sonnenbrille war nicht dabei. Sie fragte vorsorglich nochmals bei der Asservatenstelle im Sockelgeschoss des Kriminalgerichts an. Diese bestätigte, dass unter diesem Aktenzeichen keine Sonnenbrille eingeliefert worden war. Mit dieser Auskunft gab sich der »W M-Räuber « jedoch nicht zufrieden. Er drohte mit Beschwerden und beschrieb noch mal genau, wo ihm ein Polizist die Sonnenbrille abgenommen hatte. Er forderte weitere Untersuchungen. Anna wandte sich an die Polizeidienststelle, die für den Fall zuständig gewesen war. Auch dort waren keine Gegenstände aus dem Verfahren verblieben. Der damalige Polizeiermittler befand sich bereits im Ruhestand und erklärte schriftlich auf Anfrage, dass er nichts über eine Sonnenbrille wisse. Nach Annas Ausscheiden hatte Maja diesen Vorgang geerbt. Sie kam auf die Idee, nochmals überprüfen zu lassen, welche Polizeidienststellen mit dem Fall betraut gewesen waren. Es waren mehrere, und in einer fand sich schließlich eine Kopie des Ermittlungsverfahrens sowie |161| eine Kiste mit der gesuchten Sonnenbrille, einer »Ray-Ban«. Maja freute sich, dem Häftling die gute Mitteilung machen zu können. Jens meinte lachend, dass doch eine Abordnung unserer Abteilung (selbstverständlich auch mit Sonnenbrillen ausgestattet) das gute Stück persönlich beim Hofgang als Überraschung übergeben könnte. Aber das wäre dann wohl zu viel des Guten gewesen, zumal die Sonnenbrille schon einige Stunden Arbeitszeit gekostet hatte.
     
    Ob es an der Urlaubszeit lag, sodass nicht genügend erfahrene Kollegen zur Verfügung standen, oder ob man mir nach acht Monaten schon schwierigere Sachen zutraute, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls bekam ich meinen ersten Fall in der Sitzungsvertretung, für dessen Verhandlung mehrere Tage angesetzt waren und der mir schon nach dem ersten Aktenstudium umfangreich und kompliziert erschien. Der Tatvorwurf lautete auf Vergewaltigung. Das Opfer, Nina R., schilderte den Tathergang, wonach sie den Beschuldigten, Peter Z., aus einer Diskothek kannte. Sie hatten schon ein paar Mal miteinander getanzt und er hatte ihr ab und zu einen Drink spendiert. Später tauschten sie die Telefonnummern aus und verabredeten sich mit weiteren Freunden zwei Mal in Wohnungen. Dort tranken sie etwas und fuhren anschließend alle zusammen in die Disco. Das zierliche und wirklich gut aussehende Mädchen war zur Tatzeit 17   Jahre alt. Sie arbeitete sogar manchmal für eine Modelagentur. Er war kräftig, 30   Jahre alt, verheiratet und hatte bereits zwei Kinder. Am Tattag borgte Peter Z. sich von einem Freund die Schlüssel für dessen Wohnung. Sodann verabredete er sich mit dem Opfer und schlug vor, dass man vor dem Discobesuch noch etwas trinken könnte. Sie gingen dann in die |162| Wohnung, unterhielten sich und tanzten. Dann wurde er zudringlich.
    Nina R. gab zu Protokoll, dass er sie auf die Couch geschubst und sich über sie geworfen habe. Gegen ihren Willen und trotz ihres Flehens und Bettelns habe er sie festgehalten, Strumpfhose und Slip heruntergezogen. Dann sei er in sie eingedrungen und habe den Geschlechtsverkehr vollzogen. Sie habe geweint, geschrien und ihn gebeten aufzuhören. Ein Gefühl der Ohnmacht habe sich in ihr breitgemacht.
    An Kratzen oder Schlagen dachte sie nicht. Hinterher war er wieder ganz der liebe Freund aus der Disco. Fürsorglich. Ob sie sich nicht sauber machen wolle und ob er sie irgendwohin mitnehmen könne. Sie konnte nichts sagen, war traumatisiert und stand neben sich. Sie war noch Jungfrau gewesen und blutete jetzt etwas. Schließlich rief sie ihre Freundin an und ließ sich von dem Beschuldigten zu der Disco fahren, in der ihre Freundin gerade war. Ihrer Freundin sagte sie am Telefon nichts von den Vorfällen.
    In der Diskothek saß sie dann wie betäubt auf einem Stuhl. Das Blut lief ihr nun stärker die Schenkel herunter und tropfte auf den Fußboden. Es dauerte eine Weile, bis ihre Freundin aus ihr herausbekam, was los war. Schließlich erzählte sie es weinend. Auf das Drängen der Freundin, zur Polizei zu

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