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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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nehmen, das »Muttersöhnchen« erneut zu wecken. Am nächsten Tag durfte Benjamin die Haftanstalt verlassen. Er hatte bei einem Haftprüfungstermin die Tat gestanden. Der Richter setzte den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft gegen Auflagen aus. Als Benjamin dann seine Sachen aus der Zelle holte, wandte er sich mit finsterem Gesicht an Rainer und erklärte, dass er die Vorfälle hier in der Zelle öffentlich machen und über das Internet verbreiten werde. Rainer gelang daraufhin ein abschließendes und uninteressiertes Gähnen.

|167|
Der Vergewaltigungsprozess
    P ünktlich um 9   Uhr begann der erste Tag des Vergewaltigungsprozesses. Der Fall wurde vor dem Schöffengericht verhandelt. Das Gericht bestand aus der Richterin und zwei Schöffinnen. Neben dem Angeklagten und seinem Verteidiger trat noch ein weiterer Rechtsanwalt für die Nebenklage auf. Er vertrat die Rechte des Opfers. Die Personalien des Angeklagten wurden abgefragt. Der dreißigjährige Peter Z. hatte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert und arbeitete als Angestellter in einem Unternehmen. Von Anfang an machte er einen äußerst intelligenten Eindruck und gab sich gegenüber dem Gericht umgänglich und freundlich.
    Ich verlas die Anklage. Die Mindeststrafe lag bei zwei Jahren Freiheitsstrafe. Würde die Strafe über dieses Mindestmaß hinausgehen, war klar, dass der nicht vorbestrafte Familienvater ins Gefängnis gehen musste. Eine Aussetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe zur Bewährung kommt nach dem Strafgesetzbuch nur bei Strafen bis zu zwei Jahren in Betracht. Als Nächstes wurde zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung erörtert, ob die Verurteilung zu der Mindeststrafe (also doch noch Bewährung) in Betracht käme, sollte der Angeklagte die Vergewaltigung einräumen. Eine recht großzügige Belohnung eines Geständnisses ist gerade in Vergewaltigungsprozessen nicht unüblich. Es geht |168| nicht nur um die schwierige Beweislage, sondern auch darum, dem Opfer ein nochmaliges Erleben der Tat zu ersparen. Außerdem müssen sich Vergewaltigungsopfer im Zeugenstand einiges gefallen lassen, insbesondere was die Fragen der Verteidigung angeht. Manchmal kann man das schon als erniedrigend ansehen. Machen kann man dagegen allerdings nichts. Die unbeschränkte Verteidigung hat Vorrang.
    Der Verteidiger verließ für kurze Zeit mit dem Angeklagten den Sitzungssaal, um diesen Punkt zu besprechen. Der war jedoch unter keinen Umständen zu einem Geständnis bereit und beteuerte seine Unschuld. Er gab nochmals ausführlich seine Darstellung der Geschehnisse wieder und unterstrich, dass sich die Zeugin hinterher von ihm zu einer Disco hatte fahren lassen. Er ging weiter in die Offensive und erklärte, dass er seiner Frau alles gebeichtet habe. Das sei schon sehr hart für ihn gewesen. Auch habe sein persönliches Umfeld von der Vergewaltigungsanzeige erfahren, sodass er jetzt ziemlich schlecht dastehe. Seine Frau habe ihm ihr Vertrauen geschenkt, dass es keine Vergewaltigung gegeben habe.
    Dann kam natürlich die Frage, die in dieser Situation immer gestellt wird (und auch schon bei der polizeilichen Vernehmung gestellt worden war): Warum die Zeugin ihn denn vorsätzlich falsch einer so schrecklichen Tat bezichtigen sollte? Er wisse es auch nicht. Sie habe ihn mehrfach bedrängt, eine dauerhafte Beziehung einzugehen, was er immer abgewiesen habe. Wahrscheinlich habe sie gedacht, dass sie das durch Sex erreichen könne. Keine Ahnung, was in dem Kopf dieser Siebzehnjährigen vor sich gegangen sei. Vielleicht wolle sie sich jetzt rächen.
    |169| Es passte alles, was er sagte. Er blieb während der Ausführungen bei dieser freundlichen und verbindlichen Art. Ganz die Ruhe selbst. Mir war das ein bisschen zu glatt und das eine oder andere Lächeln zu viel gegenüber dem Gericht. Insbesondere vor dem Hintergrund der erheblichen Strafandrohung wirkte mir das zu abgeklärt. Nicht, dass das etwas geändert hätte oder ich es hätte näher beschreiben können. Aber was ihn anging, hatte ich einfach ein ganz schlechtes Gefühl.
     
    Als Nächstes wurde das Opfer Nina R. als Zeugin vernommen. Sie sollte alles nochmals schildern. Ihre Darstellung der Tat war knapp und abgehackt. Die Richterin unterbrach sie und forderte eine viel ausführlichere Aussage. Wie oft hatte sie den Angeklagten vor der Tat gesehen? Wie war das genau mit der Verabredung? Die Zeugin reagierte unwillig und meinte, dass das doch alles in den Ermittlungsakten stehe,

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