Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt
nicht enttäuscht. Zunächst klärte sich auf, dass Kriminaloberkommissar Konrad selbst am Tatort gewesen war und die Fotos gemacht hatte. Er erkannte sein Handzeichen in der Strafakte wieder. Auch zu der Behandlung der gefundenen Masken konnte er Auskunft geben. Er habe sie in Plastiktüten gesteckt und an die polizeitechnische Untersuchungsstelle versandt. Diese habe ihm dann auch den Eingang bestätigt. Auf Nachfrage des Gerichts konnte er seinen Aktenvermerk vorlegen, aus dem sich ergab, welche Beweismittelnummer er an welcher Maske angebracht hatte. Außerdem konnte er den Einlieferungsbeleg der polizeitechnischen Untersuchungsstelle vorlegen, worauf diese eigene Bearbeitungsnummern hinzugefügt hatte. Damit war auch der Weg der Masken zur DN A-Untersuchung genau belegt. Denn der Rückweg der Maske und die erneute Versendung zur Charité war in der Strafakte ohnehin dokumentiert.
Nunmehr sprang der Verteidiger wütend von seiner Bank auf. Die Verteidigung werde maßgeblich behindert und die |211| Verteidigungsstrategie völlig unterhöhlt. Es sei unmöglich, so wichtige Unterlagen erst mitten im Prozess der Verteidigung zur Verfügung zu stellen. Er verlangte die sofortige Aussetzung des Verfahrens, um sich auf die geänderten Umstände einstellen zu können. Der Vorsitzende Richter antwortete seelenruhig und freundlich, dass von einer Behinderung der Verteidigung nicht die Rede sein könne. Schließlich habe auch das Gericht die Unterlagen erst heute zu Gesicht bekommen. Einen Grund für eine Aussetzung könne er nicht erkennen. Wenn der Verteidiger noch Fragen an den Zeugen habe, solle er sie stellen. Da dies nicht der Fall war, wurde der Prozess fortgesetzt.
Als Nächstes erschien die Gerichtsmedizinerin der Charité. Sie erklärte dem Gericht das neue Verfahren, mit dem es gelungen war, die DNA zu vergleichen. Sie habe kleinste Spuren an der Maske gefunden und diese Moleküle durch Hinzugabe von Enzymen vergrößert. So sei die Täterspur quasi gewachsen. Sie wurde vom Gericht gefragt, wer in ihrer Abteilung die Tüten mit den Masken aufmache und wie viele Personen die Spurenträger bis zur Untersuchung in die Hand bekämen. Die Zeugin gab an, die Tüte selbst geöffnet, Spurenträger entnommen und untersucht zu haben. Dies habe sie in dem vorliegenden Spurengutachten alles sorgfältig dokumentiert.
Wenn man an den Freispruch des Angeklagten in Chemnitz dachte, lag hier vielleicht ein Schwachpunkt des Falles. Die DN A-Spur war ja nicht an Gegenständen vom Tatort, sondern auf einer am Tatort zurückgelassenen Maske gefunden worden. Naheliegend war die Überlegung, dass |212| der Angeklagte weitere Raubüberfälle verübt hatte. Allein seine Vorverurteilung wegen schweren Raubes und auch sein genetischer Fingerabdruck bei dem Raubüberfall in Chemnitz sprachen Bände.
Kannte das Gericht die Urteilsbegründung des Freispruchs aus Chemnitz? Kamen die Richter gleichfalls auf die verhängnisvolle Idee, dass die sichergestellten Masken auch anderweitig zum Einsatz gekommen waren? Und Sinans DN A-Spur von einem anderen Überfall stammen konnte, während bei der hier verhandelten Tat ein anderer die Maske getragen und später zurückgelassen hatte?
Entsprechende Fragen wurden jedoch nicht gestellt, wie zum Beispiel, ob auch andere DN A-Spuren an der Maske gefunden worden waren. Die Maske war aus dem Beinteil einer Jogginghose gemacht worden (wie bei dem Raubüberfall in Leipzig, der zur Vorstrafe des Angeklagten geführt hatte). Wollte die Verteidigung vielleicht darauf herumreiten, dass der Angeklagte die Jogginghose eventuell mal beim Sport getragen hatte? Ich hielt das alles für abwegig. Nach der Urteilsbegründung in Chemnitz war ich jedoch auf alles gefasst.
Die Gutachterin gab schließlich auf Frage des Gerichts an, dass die Spur circa vier Zentimeter unter dem in der Maske geschaffenen Sehschlitz gefunden worden war. Da, wo bei Kampfhandlungen oder sonstigen Anstrengungen am ehesten Anhaftungen wie Speichelablagerungen zu erwarten waren. Anhand der Zellstruktur konnte sie auch als Speichelzelle aus dem Mundbereich identifiziert werden. Die Frage der sportlichen Nutzung der Jogginghose war damit vom Tisch.
|213| Schließlich bekundete die Gerichtsmedizinerin, dass die Wahrscheinlichkeit einer Identität der gefundenen DNA mit der DNA des Angeklagten bei 9 Millionen zu 1 lag. Ihre Vernehmung war damit, genauso wie der dritte Sitzungstag, beendet. Am vierten und voraussichtlich letzten
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