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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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Verhandlungstag sollten eigentlich nur noch die abschließenden Plädoyers gehalten werden und das Gericht die Urteilsberatung durchführen.
    Was war nun die Strategie der Verteidigung? Hatte der Kollege noch etwas in der Hinterhand? Grübelnd verließ ich den Sitzungssaal.

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Ungebetene Ratschläge
    D ie Tür fiel hinter Sinan ins Schloss. Wütend trat er dagegen. Rainer ließ seinen Kugelschreiber sinken. Er war gerade dabei, ein Kreuzworträtsel in der Zeitung zu lösen. Der Hauptpreis war ein Silvesterwochenende im Kurhaus Binz auf Rügen für zwei Personen. Ein tolles Hotel! Und Silvester war schon in drei Monaten. Rainer überlegte, ob er im Falle des Gewinns wohl Hafturlaub bekommen würde. Auch sein Prozess hatte bereits begonnen und er bezweifelte stark, dass er bis Silvester auf freiem Fuß sein würde. Die Anstaltsleitung würde einen entsprechenden Antrag aber vermutlich wegen der Gefahr eines Fluchtversuchs ablehnen. War ein solcher nicht fast zwingend? Wer wollte schon nach einem Aufenthalt in einem Fünfsternehotel mit Wellness und allerfeinstem Essen in die tristen Räume der Justizvollzugsanstalt Moabit zurückkehren? Über das Essen hier wollte er gar nicht erst nachdenken und die Stimmung in der Zelle war doch auch echt scheiße! Sinan hatte jedenfalls schon ausgeglichenere Tage gehabt, fand Rainer.
    »Was ist denn los, Sinan?«, fragte er.
    »Mein Verteidiger ist eine Pfeife. Seine große Strategie. Bla bla bla, alles Mist. Der Oberbulle hat im Prozess ein paar Papiere vorgelegt und jetzt will mein Verteidiger, dass ich ein Geständnis ablege. Ein Geständnis! Ist der bescheuert?«
    »Wieso denn ein Geständnis?«, Rainer schüttelte sich angewidert: » |215| Das ist ja ekelhaft. Ich würde das nie im Leben machen. Willst du dich selbst hinter Gitter bringen? Du bist doch auf eine Mindeststrafe von fünf Jahren angeklagt.«
    »Ich weiß doch«, schnaubte Sinan ärgerlich. »Aber der Verteidiger meint, das Gericht hat den Fall jetzt wasserdicht gemacht. Der blöde Bulle hat einfach noch weitere Unterlagen gehabt. Damit habe niemand rechnen können. Eine Riesensauerei! Er sagt, dass er geradezu riechen könne, dass das Gericht verurteilen wolle.«
    Rainer musste innerlich schmunzeln. So ein harter Typ war Sinan dann offensichtlich doch nicht. Sie hatten ihn da ganz schön weichgekocht vor der Großen Strafkammer. Und das Verteidigergenie, von dem Sinan immer geschwärmt hatte, hatte offenbar auch nur Grütze im Kopf. »Aber ein Geständnis bei einer Mindeststrafe von fünf Jahren und deiner Vorstrafe! Das bringt doch auch nichts mehr.« Rainer winkte ab.
    »Du hast gut reden. Von wegen, das bringt nichts. Zwei oder drei Jahre mehr oder weniger spielen sehr wohl eine Rolle. Ich möchte dich mal sehen! Außerdem meint mein Verteidiger, dass ich mit einem Geständnis eine Chance habe, mit zwei Jahren davonzukommen.«
    Rainer wandte sich wieder seinem Hauptgewinn zu. Lächelnd betrachtete er das Bild von dem Fünfsternehotel in der Zeitung. Sollte Sinan doch machen. Ihm war es egal. Ob die da auch Eissauna und Massage anboten? Sein Lächeln wurde breiter.

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Geständnis als Verteidigungsstrategie
    M eine letzte Woche bei der Staatsanwaltschaft Berlin begann. Am Montag gab ich meinen Ausstand. Ich hatte etwas zu trinken und Kuchen mitgebracht und die Kaffeerunde dauerte etwas länger. Oberstaatsanwalt Berndt grinste mich an und klopfte mir auf die Schulter: »Dit wirt aba Szeit, dit wa Se loswern. Jen Se ma zum Amtsjericht. Die wern sich freun.« Ich lachte mit, hatte aber doch ein mulmiges Gefühl, da ich am Dienstag ja noch mein Beurteilungszeugnis für die Zeit bei der Staatsanwaltschaft von ihm bekommen sollte. Das Zeugnis war dann aber doch sehr nett geschrieben. Die Kollegen wünschten mir viel Glück für die Zukunft. Dass ich lieber bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten als Richter schlichten wollte, konnten sie dann aber doch nicht verstehen. Gerlinde sagte, wenn ich beim Amtsgericht einen versuchten Prozessbetrug mitbekommen würde, müsse ich die Akte sofort rüberschicken. Sie würde die Typen dann schon »drankriegen«. Jens lachte und meinte, Gerlinde solle sich bloß nicht überanstrengen, sonst müssten sie wieder andere Kollegen vertreten. Gerlinde fasste sich nachdenklich an den Rücken. Wir verabredeten, dass ich auf jeden Fall mal wieder vorbeischauen würde, wenn ich in der Nähe wäre. Schließlich war das Café Jura »extended version« vorbei. Ich schaute auf die Uhr und

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