Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt
Fotos vom Tatort in der Strafakte, auf denen der Laden aus allen möglichen Perspektiven und die genaue Lage der Beweismittel festgehalten waren. Das Gericht wollte wissen, welcher Polizist die Fotos gemacht, die Masken als Beweismittel eingetütet und versandt hatte. Es konnte jedoch nicht mehr rekonstruiert werden, wer die Fotos aufgenommen hatte. In der Akte gab es als Hinweis auf den Fotografen nur ein Handzeichen, das die Beamten nicht zuordnen konnten. Einer der Beamten konnte zwar angeben, dass er die Masken in Plastiktüten umgepackt und dabei jeweils außen die genaue Lagebezeichnung vermerkt hatte. Er wusste aber nicht, wer sie wann zur polizeilichen |208| Untersuchungsstelle geschickt hatte. Der Vorfall lag einfach auch schon viele Jahre zurück.
Der Vorsitzende wirkte verärgert und fragte ungläubig, warum die Beamten ihre Arbeitsschritte in der Ermittlungsakte nicht genau und nachvollziehbar dokumentiert hatten. Dabei gab es Seitenblicke von ihm in meine Richtung. Sie signalisierten mir, dass die Beweisaufnahme nicht nach Plan verlief. Ich überlegte, dass das entscheidende Beweismittel die DN A-Spur an der Maske war. Das Gericht wollte offenbar im Detail die Spur der Maske vom Tatortgeschehen bis zur Untersuchung im Labor verfolgen. Das war nur logisch, wenn man den DN A-Treffer als Beweismittel verwenden und der Maske als Spurenträger sicher zuordnen wollte. Und das klappte mit den Zeugen nicht richtig. Das Problem war, dass ich nicht wusste, was man dagegen tun konnte. Im Normalfall muss ein Polizeibeamter den Versand eines Beweismittels mit seinem Namen und einer Nummer dokumentieren. Sodann bestätigt die polizeitechnische Untersuchungsstelle den Eingang, wobei die Beweismittelnummer nochmals genannt und die eigene Bearbeitungsnummer mitgeteilt wird. Dieser Vorgang fehlte in meiner staatsanwaltschaftlichen Handakte. Das war an sich noch nicht weiter verwunderlich, da für die Handakte nur die wesentlichen Vorgänge aus der Strafakte kopiert worden waren. Schwierigkeiten konnte es allerdings geben, wenn diese Vorgänge auch in der Strafakte des Gerichts fehlten. Ich konnte nur hoffen, dass der Angeklagte nicht durch eine solche Ermittlungspanne zum Freispruch gelangen würde.
Am nächsten Tag besuchte mich meine spätere Nachfolgerin an meinem Arbeitsplatz. Mein Wechsel zu einem |209| Zivilgericht war beschlossene Sache und der Termin stand auch schon fest. Drei Wochen verblieben mir noch bei der Staatsanwaltschaft. Frau Dr. Heinemann (Cornelia) würde dann mein Dezernat übernehmen. Es sollte ihre zweite Station als Proberichterin werden und sie hatte schon von mehreren Kollegen gehört, wie schwierig der Start bei der Staatsanwaltschaft sei. Maja und ich berichteten ihr von den wirklich netten Kollegen in unserer Abteilung. Außerdem versicherte Maja, dass sie für Fragen immer zur Verfügung stünde, genauso wie ich es bei ihr gehalten hatte. Zudem konnte ich Cornelia mitteilen, dass ich die offenen Verfahren meines Dezernats auf unter hundert verringert hatte. Es war ein recht gut aufgeräumtes Dezernat, was ihr den Einstieg erleichtern würde. Von angsteinflößenden Aktenbergen, riesigen Gürteltieren und Dr. Ring erzählten wir erst mal nichts. Vielleicht würde Cornelia diesbezüglich auch bessere Erfahrungen machen. Ich glaube, Cornelia hatte ein ganz gutes Gefühl, als sie unser Zimmer wieder verließ.
Jens erkundigte sich bei mir nach dem Verlauf des Raubprozesses. Ich schilderte ihm den schwierigen Verlauf der Beweisaufnahme am zweiten Sitzungstag. Es standen nur noch die Aussagen des Ermittlungsführers beim Raubdezernat, Kriminaloberkommissar Konrad, und der Gerichtsmedizinerin von der Charité, welche die Spur gefunden hatte, aus. Beide sollten am nächsten Verhandlungstag vernommen werden. Jens meinte, das sei eine sehr gefährliche Entwicklung. Ich solle den Ermittlungsführer anrufen. Wenn es noch weitere Unterlagen gab, dann hatte er sie in seiner Zweitakte. Ich meldete mich daraufhin bei Kriminaloberkommissar Konrad. Er meinte, dass er sicherheitshalber alle Unterlagen mitbringen werde, die er zu dem Fall noch habe.
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Für Sinan wird es eng
D er dritte Verhandlungstag in dem Raubprozess gegen Sinan H. begann mit der Vernehmung von Kriminaloberkommissar Konrad. Wenn jemand die Zusammenhänge des Falles aufseiten der Polizei kannte, dann er. Ich hoffte, dass er etwaige Lücken in der Beweisführung des Gerichts schließen konnte. In dieser Erwartung wurde ich
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