Auf Bewährung
Plastikboden. Darunter lag der Gefrierschrank. Die Kette konnte nicht auch noch um dessen Tür geschlungen sein. Sie begann nach unten zu treten. Der Boden war hart, doch sie spürte, wie er leicht nachgab.
Mace drehte ihren Körper so, dass sie fast kopfüber lag. Dann nahm sie das Messer und hackte auf das Plastik ein, fand aber keinen Halt, denn das Material war zu glatt. Also drehte sie sich wieder um, bis sie so weit wie möglich aufrecht saß, und schaute sich um. Sie setzte die Messerspitze auf den Boden, stellte den Fuß aufs Heft und drückte so fest zu, wie sie konnte. Zweimal rutschte das Messer weg, aber beim dritten Mal blieb es endlich stecken. Mace nahm eine der Plastikhalterungen von der Tür und drosch damit auf das Messer ein wie mit einem Hammer. Sie hatte nicht viel Platz, deshalb konnte sie auch nicht richtig ausholen. Dennoch war die Klinge nach ein paar Minuten zwei Zoll tief in den Plastikboden eingedrungen. Mace richtete sich wieder auf, stellte erneut den Fuß aufs Heft und drückte gleichmäßig nach unten, den Rücken gegen die Decke gepresst, um so zusätzlich Kraft zu bekommen. Langsam drang das Messer durch den Boden, bis es am Heft steckenblieb.
Mace nahm ihren Fuß wieder weg, drehte sich mit großer Mühe um und begann am Boden zu sägen. Zoll für Zoll schnitt die Klinge durch das harte Plastik. Mace zog die Klinge wieder heraus und machte an anderen Stellen weitere Einschnitte mit der gleichen Methode wie zuvor. Als das erledigt war, ließ sie die Waffe wieder in der großen Gürtelschnalle verschwinden und trat mitten zwischen die Schnitte, den Rücken so fest gegen die Decke gepresst, dass sie Angst hatte, er würde brechen.
Mace war nicht sicher, wie lange es dauerte, doch schließlich spürte sie, wie der Boden nachgab. Ein paar Sekunden später brach das Plastik erst an einer Stelle, dann an einer anderen. Eine Minute später ließ sich der gesamte Teil nach oben biegen. Noch einmal setzte Mace all ihre Kraft ein, und der ganze Boden brach heraus wie eine Eisscholle. Sie fiel durch die Öffnung und riss sich an der Bruchkante den Schenkel auf. Warmes Blut floss in den kalten Schrank.
Vorsichtig schlängelte Mace sich durch die Öffnung und versuchte, sich dabei so weit wie möglich von den scharfen Kanten fernzuhalten. Dann trafen ihre Füße auf die Gefrierschranktür, und sie trat sie auf. Sie rutschte immer weiter, bis Kopf und Torso im Gefrierschrank waren. Dann waren ihre Füße draußen auf dem Beton und kurz darauf der Rest.
Mace saß eine Minute lang einfach nur da. Ihr Schädel dröhnte, und ihre Lunge brannte. Dann stand sie zitternd auf und schaute sich um. Dabei holte sie ihr Messer wieder heraus und hielt es schützend vor sich. Allerdings bezweifelte sie, dass derjenige, wer auch immer sie in diese Todesfalle gestopft hatte, noch da war, denn sie hatte so viel Krach gemacht, dass er mit Sicherheit schon längst gekommen wäre und sie erledigt hätte. Trotzdem wollte sie nach ihrer Flucht nichts dem Zufall überlassen. Als sie sah, wie sich das Blut auf dem Boden sammelte, verband sie ihr Bein mit einem Lumpen. Dann fand sie ihr Handy und rief Roy an. Er war schon auf dem Weg in die Stadt, da sie nicht bei Altman angekommen war.
»Ich bin in zehn Minuten da«, sagte er, nachdem Mace ihm keuchend Bericht erstattet hatte. »Ruf sofort die Cops an.«
Und diesmal tat Mace, was Roy ihr sagte. Nach nur drei Minuten traten zwei Streifenpolizisten die Tür zum vierten Stock auf und riefen ihren Namen. Ein paar Sekunden später folgten ihnen drei weitere. Und zwei Minuten später flog Beth Perry die Treppe rauf. Sie ging direkt zu ihrer Schwester und nahm sie in die Arme.
Mace spürte, wie ihr Tränen über die Wangen rannen, als sie ihre Schwester so fest wie möglich an sich drückte. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie wieder zwölf Jahre alt. Sie hatte sich geirrt. Manchmal musste sie noch immer in die Arme genommen werden. Nicht oft, aber manchmal. Genau wie jeder andere auch.
Beth rief ihren Beamten zu: »Ist das Stockwerk gesichert?«
»Ja, Chief.«
»Dann durchsucht den Rest des Gebäudes. Postiert einen Mann vor der Tür. Ich bleibe bei ihr. Und ruft einen Krankenwagen.«
Die Männer liefen hinaus.
Mace spürte, wie ihre Beine nachzugeben drohten. Beth schien das ebenfalls zu spüren, denn sie trug ihre Schwester fast zu einer Plastikkiste und setzte sie darauf. Dann kniete sie sich vor sie, und ihr Blick wanderte zu den Überresten des Kühlschranks
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