Auf Bewährung
weiter.«
»Weshalb wisst ihr dann nicht, wann es reingekommen ist?«
»Es lag einfach mit dem dazugehörigen Formular im Postraum. Sie muss es selbst gebracht haben. Ich habe bei Miss Tollivers Sekretärin nachgefragt, doch die wusste von nichts.«
»Aber sie ist Montagmorgen ermordet worden. Inzwischen haben wir Dienstagnachmittag, und ich erfahre erst jetzt davon?«
»Wir haben gestern keine Post ausgeliefert, weil es von Polizei nur so gewimmelt hat. Deshalb kommen wir jetzt erst dazu. Tut mir leid.«
Roy schaute sich das Cover an. Es handelte sich um ein veraltetes Fachbuch zum Vertragsrecht. Anwälte schickten einander nie veraltete Bücher. Was wäre auch der Sinn davon?
»Hast du es Freitag schon im Postraum gesehen?«
»Ich glaube nicht.«
»Aber du bist nicht sicher.«
»Nein, bin ich nicht.«
»Okay, Montagmorgen hast du es dann aber gesehen, oder?«
»Das weiß ich nicht. Es war das reinste Chaos hier. Völlig verrückt. Aber es muss Montagmorgen schon da gewesen sein. Ich meine, sie kann es ja wohl kaum gebracht haben, als sie schon tot war.«
»Vorausgesetzt, sie war wirklich diejenige, die es in den Postraum gelegt hat, Dave. Das wissen wir eben nicht.«
»Oh! Stimmt.« Dave schaute Roy nervös an. »Bekomme ich jetzt Ärger, Mr. Kingman?«
Roy lehnte sich wieder zurück. Seine Wut war genauso schnell wieder verraucht, wie sie gekommen war. »Vermutlich nicht. Danke, Dave. Tut mir leid, dass ich so gereizt war. Wir stehen alle ein wenig unter Stress.«
Nachdem Dave die Tür hinter sich geschlossen hatte, schaute Roy sich den Laufzettel des Buches an. Das war eindeutig Dianes Handschrift. Er hatte sie schon auf vielen Dokumenten gesehen. Die Felder für Datum und Zeit waren nicht ausgefüllt; allerdings war der Empfänger vermerkt: er . Das Buch war also tatsächlich für ihn bestimmt. Nur dass es keinen Grund gab, warum Diane es ihm hätte schicken sollen. Roy blätterte ein wenig darin herum, doch es war einfach nur ein altes Buch.
Sein Telefon klingelte. »Ja?« Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er die Stimme hörte.
Mace sagte: »Sie haben sicher schon hundert Stunden für heute verbucht.«
»Ich habe Ihnen doch erklärt, was für eine humane Kanzlei wir sind. Wir müssen bei den Stunden nicht lügen.«
»Haben Sie Zeit zu reden?«
»Sicher. Wann?«
»Wie wäre es mit sofort?«
Roys Tür öffnete sich, und Mace winkte ihm zu. Roy schüttelte den Kopf und legte auf. »Sind Sie immer so seltsam?«
»Sie haben meine seltsame Seite noch gar nicht kennengelernt.«
»Das ist ja furchterregend.«
»Ich weiß. Das bekomme ich oft zu hören.«
Kapitel 28
M ace schloss die Tür wieder und setzte sich Roy gegenüber. »Danke, dass Sie mich gestern Abend bei Abe vertreten haben.«
»Danken Sie mir nicht zu früh. Sie haben meine Rechnung noch nicht gesehen.« Er hielt das Buch in die Höhe. »Diane Tolliver hat mir das über die Büropost geschickt.«
»Und?«
»Und zwar gerade eben erst. Aber sie hatte keinen Grund dafür. Das ist einfach nur ein veraltetes Fachbuch.«
»Legen Sie es auf den Tisch. Sofort!«
Erschrocken befolgte Roy den Befehl.
»Wer hat es außer Ihnen sonst noch angefasst?«, fragte Mace in strengem Ton.
»Mindestens noch eine andere Person: der Bürobote.«
»Na toll.«
»Er hat es nicht besser gewusst.«
»Aber Sie hätten es besser wissen müssen«, schimpfte Mace.
»Okay, vielleicht hätte ich das«, räumte Roy ein, »aber das habe ich nicht. Und was jetzt?«
»Haben Sie ein Stofftuch?«
»Nein, aber ich habe ein paar Papiertaschentücher.«
Er gab sie Mace, und die schützte ihre Finger damit, als sie das Buch vorsichtig öffnete.
»Ich habe ein paar Seiten durchgesehen«, erklärte Roy, »und keine geheimnisvollen Schriftzeichen oder so gefunden. Aber wir könnten Zitronensaft darüberschütten. Vielleicht erscheint dann ja eine ansonsten unsichtbare Schrift.«
»Oder wir könnten das hier tun.« Mace hob das Buch am Rücken hoch und schüttelte es aus.
Ein kleiner Schlüssel fiel heraus und landete auf dem Tisch.
»Nicht!«, warnte Mace, als Roy instinktiv danach greifen wollte.
Mit einem Papiertaschentuch hob sie den Schlüssel auf.
»Das ist kein Schließfachschlüssel«, verkündete Mace, »aber vielleicht von einem Postfach.«
»Davon gibt es ja auch nur ein paar Hundert Millionen, und wir wissen noch nicht einmal, ob der Schlüssel wirklich von ihr stammt.«
»Hat Sie Ihnen gegenüber je ein Postfach erwähnt?«
Roy
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