Auf Bewährung
unsichtbaren. Sie hatte ihren Abschluss an der Polizeiakademie mit ein paar Strafpunkten, aber weit mehr Superlativen gemacht. Und die Ausbilder, die ihr diese Strafpunkte verpasst hatten, hatten gleichzeitig erklärt, dass sie der beste Polizeikadett der Hauptstadt sei, seit ... nun ja, seit ihre Schwester vor Jahren die Ausbildung als Jahrgangsbeste abgeschlossen hatte.
Mace hatte es in Rekordzeit vom Anfänger über den Streifenpolizisten zum Sergeant geschafft, und dann war sie zur Kriminalpolizei gekommen und der Kommission für Mord und Sexualdelikte zugeteilt worden. Sofort hatte sie sich in einen ganzen Stapel grausamer Morde und sexueller Übergriffe festgebissen und in Fälle, die schon so kalt waren wie die Leichen, um die es ging. Sie hatte ihre eigenen Methoden entwickelt, und dafür war sie auch mehrfach zusammengestaucht worden. Dennoch wurden genau diese Ermittlungsmethoden inzwischen sogar an der Polizeiakademie gelehrt.
Im Laufe ihrer Karriere hatte Mace sich viele Freunde gemacht, denn sie war loyal und haute nie jemanden in die Pfanne, egal wie sehr derjenige das auch verdient haben mochte. Und sie hatte sich Feinde gemacht, die sie bis ans Ende ihrer Tage behalten würde. Doch Mace hatte sich auch Feinde gemacht, die man davon überzeugen konnte, dass sie ihr etwas schuldeten, und wegen einem davon war sie nun hier.
Mace parkte ihre Ducati vor einem Laden mit hübscher roter Markise, über der der Name des Geschäftes stand: Citizen Soldier, Ltd.
Nett.
Sie zog die Tür auf und ging hinein.
Regale standen an den Wänden. Sie waren mit allem gefüllt, was der Markt an Mitteln zur persönlichen Verteidigung hergab. In einem vergitterten Schrank prangten Schrotflinten, Gewehre und sogar Maschinenpistolen, die nur darauf warteten, von einem lockeren Finger befreit zu werden. Und in einer hüfthohen, abgeschlossenen Vitrine lagen die unterschiedlichsten halb- und vollautomatischen Pistolen sowie altmodische Trommelrevolver.
»Hey, Binder«, rief Mace dem Mann hinter der Registrierkasse zu. »Vertickst du immer noch zusammengeflickte Knarren ohne Seriennummer, Lizenz und steuerfrei an Irre von der Straße?«
Binder trug eine Tarnhose und ein eng sitzendes schwarzes Muskelshirt, das seine kräftigen Arme betonte. Die Militärstiefel an seinen Füßen waren abgenutzt und sahen echt aus. Und das waren sie auch, wie Mace wusste. Binder hatte mehrere Jahre lang Uncle Sams Uniform getragen, aber er hatte auch im Bau gesessen und war unehrenhaft entlassen worden, weil er nebenbei ein wenig gedealt hatte. Zwei Jungspunde wären damals fast draufgegangen, weil sie sich gepanschtes Meth gespritzt hatten, das er ihnen angedreht hatte. Binder trug sein Haar als Afro zurückgebunden, was Mace an den jungen Michael Jackson erinnerte. Und das war bemerkenswert, denn der Mann war weiß, hatte große Sommersprossen, und sein Haar war feuerrot; nur am Ansatz war das erste Grau zu sehen.
» Send in the clowns «, sang Mace leise vor sich hin.
Binder wirbelte herum. In der einen Hand hielt er einen Scanner und in der anderen ein Klappmesser.
»Wow!«, rief Mace. »Du freust dich ja, mich zu sehen.«
»Wann zum Teufel bist du denn rausgekommen?«, spie Binder.
Er legte das Messer auf ein Regal zu den anderen. Alle waren mit einem Preisschild versehen. »Ich habe zu tun«, grunzte er. »Ich weiß, dass du kein Cop mehr bist; also kannst du mir auch nicht mehr ans Bein pinkeln.«
Anstatt zu gehen, kramte Mace in den Messern auf dem Regal und nahm sich ein Butterfly mit Holzgriff. Geschickt klappte sie die Waffe auf. »Joi! Ein handgemachtes Filipino Balisong. Cool. Nur leider ist der Import davon seit den Achtzigern verboten.«
Diese Information schien Binder nicht im Mindesten zu beeindrucken. »Was du nicht sagst.«
»Und in D. C. und Maryland sind Butterflys ganz allgemein verboten, und in Virginia besteht zumindest ein Verkaufsverbot.«
»Da hat wohl jemand vergessen, mir Bescheid zu geben. Ich werde mal mit meinem Anwalt reden.«
»Gut, und während du das erledigst, rufe ich mal beim Chef von Five-D an und lasse ihn deine Inventarliste durchgehen. Anschließend kann ich dir dann für die nächsten paar Jahre eine sehr nette Institution in West Virginia empfehlen.« Sie deutete auf Binders roten Haarschopf. »Und das Schöne ist: Du wirst noch nicht einmal zum Friseur müssen.«
Binder beugte sich dicht an Mace heran. »Was zum Teufel willst du, Frau!«
»Equipment. Und ich bezahle auch, nur nicht den
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