Auf Bewährung
stand außer Frage, selbst für jemanden, der so tollkühn war wie Mace. Also blieb nur die Damentoilette bei Subways.
Mace hatte ihren Rucksack mitgenommen. Sie schloss die Tür, zog die Latexhandschuhe an, träufelte Färbemittel auf den Schlüssel, zog die Kontrastbrille an und schaltete die UV-Lampe ein. Die fünfzig Dollar, die sie Binder dafür gegeben hatte, zahlten sich sofort aus.
»So, meine Kleinen. Kommt zu Mama«, murmelte Mace vor sich hin. Und da waren tatsächlich Fingerabdrücke auf dem Schlüssel. Mace schaute sich die Oberfläche mit dem Vergrößerungsglas an, das sie Binder auch noch aus dem Kreuz geleiert hatte. Im Laufe ihrer Karriere hatte Mace schon genug Fingerabdrücke gesehen, um als Expertin zu gelten. Dieser Abdruck hier war gut und sauber und hatte einige auffällige Merkmale. Die andere Seite des Schlüssels erwies sich zwar als nicht ganz so ergiebig, aber es reichte, um sagen zu können, dass die beiden Abdrücke wahrscheinlich von derselben Person stammten.
Daumen und Zeigefinger, nahm Mace an, da man einen Schlüssel für gewöhnlich mit diesen beiden Fingern hielt. Vermutlich gehörten die Abdrücke Diane Tolliver. Allerdings wusste Mace nicht, wie diese Erkenntnis die Ermittlungen voranbringen sollte; doch wenigstens bewies das, dass die Tote den Schlüssel in der Hand gehalten hatte. Mace war überrascht, dass die Fingerabdrücke nicht verwischt worden waren, als man den Schlüssel zwischen die Seiten gesteckt hatte, doch manchmal hatten auch die guten Jungs einfach Glück.
Jetzt musste Mace nur noch einen Gefallen einfordern; dann war sie mit diesem Beweis durch. Dreißig Minuten nach ihrem letzten Halt bei einem weiteren »alten Freund« fuhr Mace wieder zu Roys Büro. Den Schlüssel hatte sie in eine Plastiktüte gesteckt, um die Fingerabdrücke zu bewahren, und Roy gesagt, er solle ihn der Polizei übergeben und erklären, wie er ihn bekommen hatte. Als sie die Lobby durchquerte, um das Gebäude zu verlassen, bemerkte sie, dass Ned sie anstarrte. Mace wechselte ihre Richtung und ging auf ihn zu.
»Sie sind Ned, nicht wahr?«
»Stimmt. Ich habe Sie und Roy Kingman gestern auf dem Motorrad wegfahren sehen.«
»Sie haben wirklich Adleraugen.« Mace lächelte. »Und ich wette, Sie sehen alles, was hier so passiert.«
Ned drückte die Brust raus. »Es gibt zumindest nicht viel, was ich nicht mitbekomme. Deshalb mache ich diesen Job ja auch.«
»Sicherheitsmann, meinen Sie, ja?«
»Genau. Ich habe allerdings auch schon darüber nachgedacht, zur Polizei zu gehen und den bösen Buben mal so richtig in den Arsch zu treten. Sie wissen schon.«
Mace ließ ihren Blick über Neds fetten Leib schweifen, allerdings wohl ein wenig zu offensichtlich, und so fügte er rasch hinzu: »Natürlich muss ich vorher noch ein paar Pfund abnehmen; aber ich brauche nicht allzu lange, um wieder in Form zu kommen. Ich habe in der Schule Football gespielt.«
»Wirklich? Auf welchem College?«
»Ich meine die Highschool«, murmelte Ned.
»Schön für Sie.«
»Hey, waren Sie gestern nicht mit den Cops hier?«
»Ja, war ich.« Bevor Ned fragen konnte, ob Mace auch ein Cop sei, fragte sie: »Und? Haben Sie auch eine Theorie zu dem, was passiert ist?«
Ned nickte, beugte sich zu ihr und sagte in leisem Ton: »Serienmörder.«
»Wirklich? Aber bräuchte man dafür nicht mehr als einen Mord?«
»Hey, selbst Hannibal Lecter hat mal klein angefangen.«
»Das ist eine Romanfigur. Das wissen Sie doch, oder?«
Ned nickte ein wenig verunsichert. »Cooler Film.«
»Und wie kommen Sie auf einen Serienmörder?«
»Wegen seinem M. O.«, antwortete Ned im Brustton der Überzeugung.
»Seinem M.O.?«
»Modus Operandi.«
»Jaja, ich weiß schon, was das heißt. Meine Frage zielte mehr darauf, warum Sie den Begriff ausgerechnet in diesem Zusammenhang verwenden.«
»Er hat sein Opfer doch in den Kühlschrank gestopft, nicht wahr? Das ist ziemlich originell. Ich wette, demnächst lesen wir jeden Tag über Leute in Gefriertruhen, Kühlräumen und ... äh ...«
»Anderen kalten Orten?«
»Genau.«
»Wer weiß, vielleicht wird man ja auch besonders kleine Leute in Thekenkühlern oder so finden.«
Ned lachte. »Ja, so Hobbits. Hey, vielleicht nennt er sich selbst ja die Eiskalte Hand. Was meinen Sie?«
»Ja, das ist wirklich clever.«
Ned beugte sich über den Tresen und setzte einen Gesichtsausdruck auf, den er ohne Zweifel für ultracool hielt. »Hey, trinken Sie gerne mal einen?«
»Ständig«,
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