Auf Bewährung
effektiv.
Nachdem sie nichts gefunden hatte, starrte sie eine Zeit lang in den Kühlschrank. Roy hatte ihr erzählt, dass Diane Tolliver fast fünf Fuß acht groß gewesen war. Und Leichen waren recht sperrig. Das wusste Mace, denn schließlich hatte sie schon genug gesehen. Wer auch immer die Frau umgebracht hatte, er hatte sie mit Gewalt hineingestopft, sonst wäre sie umgekippt und hätte allein aufgrund ihres Gewichts die Tür aufgedrückt.
Mace ging die Chronologie noch einmal durch, die ihre Schwester ihr erzählt und die Roy bestätigt hatte. Da Diane Tolliver an jenem Morgen ihre Schlüsselkarte hatte benutzen müssen, wussten sie über ihre Bewegungen recht gut Bescheid. Laut des Lesegeräts an der Garageneinfahrt war Tolliver um sechs gekommen. Gut eine Minute später hatte Ned ihre Stimme in der Lobby gehört. Sie hatte sich mit der Schlüsselkarte Zutritt zum Aufzug verschafft und war neunzig Sekunden später in die Kanzlei gekommen. Roy war um halb acht eingetroffen und hatte sie knapp ein halbe Stunde später gefunden. Mace glaubte nicht, dass Diane Tolliver noch gelebt hatte, als Roy gekommen war; also musste der Mord in einem Zeitfenster von ungefähr neunzig Minuten geschehen sein.
Diane Tolliver hatte Roy am späten Freitagabend eine Mail geschickt. Und sie hatte ihm auch ein Buch zukommen lassen mit einem Schlüssel darin, vermutlich am selben Tag. Ein Ex-Army-Ranger hatte sich im vierten Stock versteckt und war im Augenblick wahrscheinlich der Hauptverdächtige. Mace schaute auf ihre Uhr. Aus Roys Bürofenster hatte sie Streifenwagen vor dem Haus halten sehen. Sie nahm an, Dockery sei bereits verhaftet, und auf dem Revier würde man ihm dann eine DNA-Probe entnehmen. Stimmte sie mit den beim Opfer gefundenen Spuren überein, war er geliefert. Klappe zu, Affe tot. Und dann könnte Mace ihrer Schwester die Wahrheit erzählen, nämlich wie sie den Kerl dingfest gemacht hatte, und vielleicht würde sie so ihren Job zurückbekommen.
Weshalb zerbrach sie sich dann den Kopf?
Mace kehrte in Roys Büro zurück. Sie wollte sehen, wann sie Dockery herausbrachten. Wie Roy gesagt hatte, hatte er einen wunderbaren Blick auf den Eingangsbereich.
Mace holte etwas aus ihrer Tasche. Es war eine Kopie des Schlüssels, den Diane Tolliver Roy in dem Buch geschickt hatte. Mace hatte sich die Kopie von einem »Freund« machen lassen, nachdem sie bei Binder gewesen war, und ihn gewarnt, sie würde ihm das Hirn rausbrutzeln, wenn er die Fingerabdrücke versaute. Das war allerdings nichts im Vergleich zu dem, was Beth mit ihr tun würde, sollte sie von der Kopie erfahren.
Mace dachte an die Mail, die Diane Tolliver Roy geschickt hatte. Wir müssen genau hinschauen, und zwar auf A –. Und dem A folgte ein Bindestrich. Das war zwar nur ein Detail, doch Mace wusste, dass das scheinbar Unbedeutende im Laufe einer Ermittlung immer wichtiger werden konnte. Und sie hatte einen guten Instinkt, was diese Dinge betraf. Den hatte sie von ihrem Vater geerbt. Er war so gut darin gewesen, die richtigen Schlüsse zu ziehen, dass ihn das FBI gebeten hatte, Ermittlungstechniken an der Akademie zu unterrichten – eine Tradition, die Beth fortgesetzt hatte.
Roy hatte jedoch recht: Der Satz war wirklich seltsam formuliert.
Wir müssen genau hinschauen, und zwar auf A –.
Mace schaute auf den Schlüssel in ihrer Hand. Was hatte er damit zu tun? Der Zusammenhang wollte sich ihr einfach nicht erschließen.
Mace seufzte und schaute erneut zum Fenster hinaus. Streifenwagen und Zivilfahrzeuge standen unten, und es wimmelte nur so von Beamten in Uniform und in Zivil.
Bis jetzt war noch niemand aus dem Gebäude gekommen; also seufzte Mace noch einmal und löste ihren Blick vom Haupteingang und schaute zu dem Haus gegenüber.
Als sie das Neonschild sah, konnte sie es zuerst nicht glauben.
»Verdammt!«
Sie schaute wieder auf den Schlüssel und dann zu dem flackernden Schild. Wie hatte sie das nur übersehen können? Es war purpurn! Aber sie hatte ja auch nie im Dunkeln aus diesem Fenster geschaut. Trotzdem. Sie war ja wirklich ein toller Detective.
Mace holte ihr Handy aus der Tasche und schrieb eine SMS an Roy.
Du musst sofort kommen, Roy. Wir müssen reden.
Kapitel 40
V erstohlen warf Roy einen Blick auf sein Handy, nachdem es in seiner Hosentasche vibriert hatte. Das entging Beth natürlich nicht, die direkt neben ihm stand.
Roy hob den Blick und sah, dass sie ihn anschaute.
»Dubai?«, fragte sie in kühlem Ton.
»Nein,
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