Auf Bewährung
Jahren.«
»Ja, und wie ich sehe, hat es sich seitdem für ihn zum Besseren gewendet.«
»Ich bin sicher, er hat hier nur Essen und ein Dach über dem Kopf gesucht. Nachts ist es gefährlich draußen.«
»Offensichtlich ist es auch hier drin gefährlich.«
»Er kann Diane nicht getötet haben.«
»Natürlich kann er das.«
»Und wie?«, verlangte Roy zu wissen.
»Am Freitag hat er sich durch die Garage reingeschlichen, nachdem die Bauarbeiter gegangen sind«, antwortete Mace. »Wäre ein Mann wie er durch den Haupteingang gekommen, hätte das zu viel Aufmerksamkeit erregt. Der alte Ned war vermutlich hinten und hat sich ein Fresserchen gemacht, oder der Captain hat gewartet, bis Ned weg war. In jedem Fall timt er alles so, dass er unbemerkt durch die Lobby und zur Treppe kommt. Dann versteckt er sich in der Besenkammer, bis dein Freund, der Tagespförtner, Feierabend macht und geht. Anschließend stieg er über die Feuertreppe in den vierten Stock hinauf und legt sich schlafen. Am Montag wird er dann entweder vom Aufzug geweckt, oder er ist bereits wach, weil er weiß, dass er verschwinden muss, bevor die ersten Leute kommen. Aber wie auch immer ... er drückt den Knopf dort drüben, um den Aufzug anzuhalten, und die Tür geht auf. Diane kann ihn nicht sehen, er sie aber schon: eine einsame Frau, gefangen in einem Metallkäfig. Er packt sie, und das war’s.«
»Aber wenn er weiß, dass Ned um sechs kommt, warum war er dann nicht schon längst weg?«
»Hältst du es wirklich für so schwer, sich an Ned vorbeizuschleichen?«
»Oder vielleicht hat er ja keine Uhr.«
Mace hockte sich hin, zog den linken Ärmel des Captains hoch und enthüllte eine Uhr. Sie leuchtete darauf. »Und sie geht auch noch richtig.«
»Du hast von einem Fall gesprochen, an dem du gearbeitet hast.«
»Das gleiche Muster: Ein Gangster hat sich in Gebäuden versteckt, in denen Bauarbeiten stattgefunden haben. Er hat immer den Aufzug angehalten, wenn besonders früh oder spät einer kam. Wenn dann die Tür aufging und eine Frau allein drin war, hat er sich auf sie gestürzt.«
»Und habt ihr den Kerl je erwischt?«, fragte Roy.
»Besser. Ich habe den Köder gespielt. Er hat versucht, mich zu packen, und ich habe ihm in die Familienplanung geschossen. Der Kerl hat drei Frauen förmlich abgeschlachtet. Es war also ein Vergnügen, ihn permanent aus dem Verkehr zu ziehen.«
»Okay, aber der Captain ...«
»Folgendes: Der Captain wollte sie vielleicht nur ausrauben, doch dann ist alles aus dem Ruder gelaufen. Ich sehe da zwei Purple Hearts und einen Bronze Star für Tapferkeit im Kampf auf seiner Jacke. Bei welcher Einheit hat er gedient?«
»Woher weißt du, dass ihm der Bronze Star für Tapferkeit im Kampf verliehen worden ist?«
»Wegen der Schleife am Orden.« Mace deutete auf ein kleines V oberhalb des Bronze Star. »Die gibt es nur für Tapferkeit im Kampf.«
»Ich wusste das, weil mein Bruder ein Marine ist. Aber woher kennst du dich so gut damit aus?«, hakte Roy nach.
»Ich habe auch meine patriotische Pflicht getan und bin mit Jungs aus allen Waffengattungen ausgegangen. Die haben mir immer gerne ihre Orden gezeigt. Außerdem hatte mein Dad einen aus Vietnam. Also, welche Einheit?«
»Army Ranger.«
»Dann ist er also nicht nur groß und stark, sondern auch besonders geschickt darin, Menschen um die Ecke zu bringen.« Mace schaute auf den großen Mann hinunter und dann zu Roy. »Hat der Captain auch einen richtigen Namen?«
»Lou Dockery. Und ich glaube noch immer nicht, dass er Diane ermordet hat.«
»Gesprochen wie ein wahrer Strafverteidiger. Aber das zu entscheiden liegt nicht bei dir. Tatsächlich musst du sofort die Cops rufen.«
»Ich?«
»Offiziell bin ich gar nicht hier. Meine Schwester hat dir eine Nummer gegeben, die du anrufen kannst. Dockery wird noch gut zwanzig Minuten im Reich der Träume sein. Ich schlage vor, du rufst sofort an.«
Panisch riss Roy die Augen auf. »Was zum Teufel soll ich ihr denn sagen?«
»Die Wahrheit. Nur den Teil mit mir würde ich auslassen. Warte mal kurz.« Mace nahm sich ein Stück Holz, schnitt sich mit einem kleinen Messer in die Hand und schmierte ein paar Blutstropfen auf das Holz. Roy schaute sie verwirrt an. »Was soll das denn?«
»Ich kenne meine Schwester«, antwortete Mace. »Und behalt das Stück Holz.«
»Warum?«
»Noch einmal ... weil ich meine Schwester kenne. Und jetzt gib mir deine Schlüsselkarte.«
»Warum?«
»Ich will mich mal ein wenig bei
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