Auf Bewährung
Beifahrersitz. »Francie«, sagte er, »das ist Mace Perry.«
Francie hatte kurzes erdbeerrotes Haar und eine Zahnklammer. Sie sah wie fünfzehn aus und lächelte Mace an. Allerdings war sie kräftig genug gebaut, um jedem klarzumachen, dass man sich besser nicht mit ihr anlegen sollte. Die beiden Beamten trugen dicke Handschuhe, die eine Spritze nicht durchstechen konnte. Schließlich wollte niemand bei der Durchsuchung eines Wagens unter den Sitz greifen und plötzlich eine gebrauchte Spritze in der Hand stecken haben. Mace kannte einen Cop, der sich auf diese Art mit HIV infiziert hatte.
»Hey, Francie«, sagte sie zu der Frau, »wie lange bist du schon mit dem großen alten Bär unterwegs?«
»Sechs Wochen.«
»Dann ist er also dein Ausbilder, ja?«
»Jep.«
»Du hättest es schlimmer treffen können.«
»Ich lasse sie alles verhaften, was uns so über den Weg läuft«, sagte Tony, »und sorge dafür, dass sie genug Zeit vor Gericht verbringt. Ich bin eben ein wahrer Lehrer und Gentleman.«
Mace schlug ihm spielerisch auf den Arm. »Ja klar. Gib’s zu. Du willst einfach nur den Papierkram loswerden.«
»Jetzt desillusioniere das Mädchen doch nicht.«
»Manchmal vermisse ich tatsächlich den Appell.«
Tony grinste. »Du bist verrückt, Mace. Da hat sich nichts geändert. Wir verteilen Leute und Autos und laufen dann fluchend rum, weil wir die verdammten Wagenschlüssel nicht finden können.«
»Immer noch besser, als zwei Jahre lang an eine Wand zu starren.«
Tonys Grinsen war wie weggewischt. »Das kann ich mir denken, Mace. Das kann ich mir denken.«
»Und hängen hier immer noch dieselben Gangster rum?«
»Jep, außer denen, die inzwischen ins Gras gebissen haben.«
Mace schaute zu den anderen Streifenwagen. »Jemand, den ich kenne?«
»Glaube ich nicht«, antwortete Tony. »Wir werden jetzt überallhin verteilt.«
»Was ist mit deinen Kids? Die müssen doch schon groß sein.«
»Einer ist auf dem College und zwei in der Highschool, und sie fressen mir die Haare vom Kopf. Selbst wenn ich mit voller Pension aus dem Dienst scheiden sollte, müsste ich mir noch einen Nebenjob suchen.«
»Mach dich als Berater selbstständig. Egal was, es wird gut bezahlt.«
»So«, wechselte Tony das Thema, »und jetzt sag du mir, was du um zwei Uhr nachts und ohne Knarre auf deinem edlen Bike in dieser Gegend machst.«
»Woher weißt du, dass ich unbewaffnet bin?«
»Komm schon, buchstabiere mal ›Verletzung der Bewährungsauflagen‹.«
Mace grinste Francie an. »Weißt du jetzt, warum er so ein guter Ausbilder ist? Dem Mann entgeht einfach nichts. Er sieht zwar wie ein Bodybuilder aus, aber er hat auch Hirn.«
»Jetzt mal im Ernst, Mace: Warum bist du hier?«
»Nostalgie.«
Tony lachte. »Dann schau dir ein Fotoalbum an. Auf den Straßen geht es nie fair zu, besonders hier nicht.« Er wurde wieder ernst. »Das weißt du doch besser als jeder andere.«
»Da hast du recht. Das tue ich. Nur dass sie nie herausgefunden haben, wer mich verarscht hat, und das ist nicht richtig.«
»Ich weiß.«
»Also, wie viele von uns glauben, dass ich Dreck am Stecken habe?«
»Ehrlich?«
»Ehrlich.«
»Siebzig Prozent sind für dich, dreißig gegen dich.«
»Könnte schlimmer sein.«
»Oh ja«, erwiderte Tony, »vor allem, wenn man bedenkt, mit wem du die DNA teilst.«
»Beth ist von ganzem Herzen Cop. Und sie hat sich von der Straße hochgearbeitet, genau wie ich.«
»Aber sie ist auch eine Frau«, erwiderte Tony, »und das schmeckt einigen Leuten noch immer nicht.«
»Okay, Tony«, sagte Mace. »Halt durch. Nur noch vier Jahre.«
»Und ich zähle jeden Tag, Baby, jeden verdammten Tag.«
Mace schaute zu Francie. »Vergiss nicht, dich zu ducken, wenn Tony seine Knarre zieht. Der Kerl konnte noch nie geradeaus schießen.«
Kapitel 42
M ace fuhr weiter, immer tiefer in ein Gebiet hinein, das selbst sie, die das Risiko liebte, ohne Waffe und Backup hätte meiden sollen. Doch sie wusste genau, wo sie hinwollte. Sie musste es sehen. Sie war nicht sicher, warum; sie wusste nur, dass sie es tun musste. Vielleicht war ja Mona der Grund dafür und das, was sie ihr auf der Toilette enthüllt hatte. Mace konnte akzeptieren, wenn sie aufs Maul fiel und wieder in den Knast musste, doch sie würde nie akzeptieren können, wenn sie Beth mit sich in den Abgrund riss.
Mace fuhr langsamer. Sie war sich der Schatten in den Straßen durchaus bewusst, der Augen hinter den Vorhängen und der Blicke hinter gefärbten
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