Auf Bewährung
A380 gewesen, die größte Passagiermaschine der Welt. Sie konnte entweder sechshundert Normalsterbliche oder zwanzig außergewöhnlich Glückliche im ultimativen Luxus transportieren. Roys Suite an Bord hatte ein Bett, eine Couch, einen Schreibtisch, einen Computer, eine Minibar und einen Fernseher mit zweihundert Kanälen und einer schier endlosen Online-Videothek gehabt. Auch hatte man Roy eine persönliche Assistentin zugeteilt, in seinem Fall eine junge Jordanierin, die dermaßen perfekt gebaut gewesen war, dass er den ganzen Flug über immer wieder auf den Rufknopf gedrückt hatte, nur um sie sich anzuschauen.
Roy ging den Flur hinunter und zu seinem Büro. Die Räumlichkeiten der Kanzlei waren nett, aber nicht protzig, und im Vergleich zum Innenleben des A380 sogar der reinste Slum. Doch Roy brauchte ohnehin nur einen Stuhl, einen Schreibtisch, einen Computer und ein Telefon. Der einzige Luxus in seinem Büro war ein Basketballring an der Innenseite der Tür, durch den Roy immer einen kleinen Gummiball warf, während er telefonierte oder nachdachte.
Als Gegenleistung für zehn, zwölf Stunden Arbeit pro Tag und gelegentliche Wochenendarbeit bekam Roy 220 000 Dollar pro Jahr an Grundgehalt zuzüglich eines Bonus von mindestens 60 000 Dollar, einer goldenen Krankenversicherungskarte und eines Monats bezahlten Urlaubs, den er nach Herzenslust genießen konnte. Gehaltserhöhungen betrugen im Durchschnitt zehn Prozent pro Jahr; also würde er bei seinem Festgehalt demnächst die 300 000-Dollar-Grenze überschreiten. Das war nicht schlecht für einen Ex-Collegebasketballer, der gerade mal fünf Jahre von der Uni war und erst vierundzwanzig Monate in dieser Kanzlei arbeitete.
Roy machte heutzutage nur noch Vergleiche; also setzte er auch nie einen Fuß in einen Gerichtssaal. Und das Beste war, dass er sich auch nie eine Arbeitsstunde aufschreiben musste, denn die Kanzlei hatte für all ihre Mandanten die Generalvertretung, und Dienstleistungen wurden pauschal abgerechnet. Natürlich konnte sich das ändern, wenn etwas Außergewöhnliches geschah, doch solange Roy hier war, war das noch nie passiert. Drei Jahre lang hatte Roy seine eigene Einmannkanzlei gehabt. Am liebsten wäre er Offizialverteidiger in D. C. geworden, doch diese Beamtenstellen waren dünn gesät und die Konkurrenz groß. Also hatte Roy sich stattdessen als offiziell eingetragener Strafverteidiger verdingt. Das klang zwar wichtig, bedeutete de facto aber nur, dass sein Name auf einer vom Gericht anerkannten Liste von Anwälten stand, und das wiederum hatte es ihm erlaubt, die Krümel aufzusammeln, die vom Teller der Offizialverteidiger gefallen waren.
Roy hatte seine Einzimmerkanzlei ein paar Blocks vom Obersten Gericht entfernt gehabt. Sie war Teil eines größeren Büros gewesen, das er sich mit sechs anderen Anwälten geteilt hatte. Und das war nicht das Einzige gewesen, was sie sich geteilt hatten. Sie hatten auch nur eine Sekretärin für alle gehabt, eine Rechtsanwaltsgehilfin, die dort in Teilzeit gearbeitet hatte, eine Kopiermaschine, ein Fax und Gallonen von schlechtem schwarzem Kaffee. Da die meisten von Roys Mandanten damals schuldig gewesen waren, hatte er die meiste Zeit damit verbracht, irgendwelche Deals mit den Staatsanwälten auszuhandeln. Und diese Staatsanwälte gingen nur vor Gericht, wenn sie jemandem mal so richtig in den Arsch treten wollten, weshalb sie sich dafür auch nur solche Fälle aussuchten, in denen die Beweislage mehr als nur eindeutig war.
Früher hatte Roy davon geträumt, irgendwann einmal in der NBA zu spielen, doch dann hatte er akzeptiert, dass es eine gefühlte Million Spieler gab, die besser waren, als er je sein würde, und so gut wie keiner von denen schaffte den Sprung ins Profileben. Das war der Hauptgrund gewesen, warum Roy sich schließlich für Jura eingeschrieben hatte: Seine Ballbeherrschung war einfach zu schlecht für die Profis, und Dreier konnte er auch nicht am Fließband werfen. Gelegentlich fragte sich Roy, ob viele Anwälte wohl ein ähnliches Schicksal hatten wie er.
Nachdem er die Arbeit für seine Sekretärin herausgelegt hatte, die gleich kommen musste, brauchte er erst einmal einen Kaffee. Es war Punkt acht, als er in die Küche ging und den Kühlschrank öffnete. Das Küchenpersonal verwahrte hier den Kaffee, um ihn länger frisch zu halten.
Roy sollte seinen Kaffee jedoch nicht bekommen.
Stattdessen fiel ihm eine Frau aus dem Kühlschrank entgegen.
Kapitel 5
S ie fuhren in
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