Auf Bewährung
eingebracht.«
Roy lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Haben sie dir irgendetwas abgenommen?«
»Wer?«
»Die Polizei.«
»Was denn?«
»Fingerabdrücke? Körperflüssigkeiten?«
»Sie haben mir die Fingerabdrücke abgenommen.« Der Captain lachte leise. »Ich musste mir extra die Finger waschen, nur damit sie sie wieder schwarz machen konnten. Und sie haben mir Kaffee gegeben, doch dann sind sie gekommen und haben mir den Becher wieder weggenommen, bevor ich fertig war. Das hat mich geärgert.«
»Das war ein billiger Trick, um an deine DNA zu kommen.«
»Was?«
»Aber du hast ihnen gesagt, dass du einen Anwalt haben willst, nicht wahr?«
»Das stimmt. Ich bin ja nicht dumm. Ich brauche einen Anwalt.«
»Okay, vielleicht können wir den DNA-Test ja einfach für unrechtmäßig erklären lassen, weil sie dich nicht um deine Einwilligung gebeten haben. Aber dann werden sie sich einfach einen Gerichtsbeschluss besorgen.«
»Okay«, sagte der Captain, der offensichtlich nicht die geringste Ahnung hatte, wovon Roy sprach.
»Ich habe bei der Polizei nachgefragt. Sie haben dich zwar nicht wegen Hausfriedensbruch oder dergleichen angezeigt, aber du warst unrechtmäßig in dem Gebäude.«
»Ich habe Hunger. Hast du was zu essen?«
»Ich werde gleich die Wache danach fragen.«
»Es ist so schön warm hier drinnen.«
»Wie lange hast du schon in dem Gebäude gelebt?«, fragte Roy.
»Ich kann mir Daten so schlecht merken.« Der Captain lachte. »Aber es ist ja auch nicht so, als bräuchte ich einen Terminkalender.«
»Okay. Und wie bist du in das Gebäude gekommen? Durch den Haupteingang ja wohl in keinem Fall.«
»Mit dem Aufzug aus der Tiefgarage. Dann habe ich mich durch die Lobby geschlichen. Natürlich habe ich vorher alles aufgeklärt. In Vietnam war ich Kundschafter, und ich bin verdammt gut darin.«
»Und der Wachmann?«
»Der ist nicht gut. Der ist fast so fett wie ich.«
»Ja, ich weiß. Und dann bist du über die Feuertreppe in den vierten Stock hinauf, stimmt’s?«
»Da ist es warm. Und es gibt zu essen. Und eine Toilette. Es war schon so lange her, dass ich zum letzten Mal ein Klo benutzt hatte, dass ich kaum noch wusste, wie das ging. Und ich habe mir nur ganz wenig zu essen genommen, Roy, und die Werkzeuge. Das schwöre ich bei Gott.«
»Woher wusstest du, dass da oben Bauarbeiten stattfinden?«
»Ich habe draußen ein paar Arbeiter in der Mittagspause davon reden hören.«
»Und die Werkzeuge?«
»Für die habe ich nur drei Dollar bekommen. Von so einem Araber auf der Straße. Ich wette, der Hurensohn hat mich übers Ohr gehauen. Ich kann ihnen die drei Dollar ja geben; dann sind wir quitt«, fügte der Captain hoffnungsvoll hinzu.
»Ich glaube nicht, dass sie sich damit zufriedengeben werden.«
»Das ist wegen des Essens, stimmt’s?«
»Erzähl mir, was am Montag passiert ist, Captain, so gegen sechs Uhr morgens.«
»Am Montag?« Der Captain schüttelte den Kopf. »Am Montag?«, wiederholte er, legte die Stirn in Falten und schaute leer drein.
»An dem Tag, bevor ich dir die Schuhe gegeben und dir was zu essen gekauft habe.«
»Okay, ja.«
»Warst du da in dem Gebäude?«
»Oh ja, ich war immer dort.«
»Und wann bist du gegangen?«
»Ich habe eine Uhr.« Er hob den Arm und zog den Ärmel zurück, damit Roy sie sehen konnte.
»Der Wachmann kommt um sechs.«
»Der ist aber nicht gut. Der hört gar nichts. In Vietnam hätte der nie überlebt.« Und dann fügte er hinzu: »Er wäre umgekommen.«
»In der Lobby gibt es doch auch eine Überwachungskamera.« Der Captain starrte Roy wieder mit leerem Blick an. »Hast du das nicht gewusst?«
Der Captain schüttelte den Kopf. »Hat sie mich gesehen?«
»Offensichtlich nicht. Um noch mal auf den Montag zurückzukommen ... Hast du irgendjemanden im Gebäude gesehen?« Erneut schüttelte der Captain den Kopf. »Um wie viel Uhr bist du gegangen?«
»Früh.«
»Zeig es mir auf deiner Uhr.«
Der Captain zögerte und deutete dann auf die Sechs.
»Okay, um sechs Uhr also. Kann irgendjemand das bezeugen?« Der Mann schien verwirrt. »Hast du irgendjemanden gesehen, mit dem ich sprechen könnte, der gesehen hat, wie du um sechs Uhr gegangen bist, oder mit dem du geredet hast, kurz nachdem du aus dem Gebäude gekommen bist?«
»Nein, Sir, so jemanden gibt es nicht«, antwortete der Captain in sorglosem Ton.
»Wo bist du dann hingegangen?«
»Zum Fluss runter. Ich habe mich auf die Mauer gesetzt und mir den Sonnenaufgang
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