Auf das Leben
jüdischen Daten herauszufinden, wenn Sie sie nicht haben«, stand da, und ich hatte schon ein paarmal die vergleichenden Kalender im Anhang eines Nachschlagewerks konsultieren müssen oder versucht herauszubekommen, wie man bestimmte Namen schrieb, die mir auf Jiddisch gesagt wurden. Was kam jetzt?
»Es ist so«, sagte mein Besucher, atmete tief und sah sich kurz in meinem Zimmer um. Er wich meinem Blick aus, aber das war nicht ungewöhnlich. »Ich möchte eine Tafel für jemanden, den ich einmal gekannt habe, aber ich habe nicht alle Details.«
»Für ein Familienmitglied?«, fragte ich.
»Nein. Für eine Frau, die ich kannte. Wir haben zusammen ein paar Leute getötet, und sie hat mir einmal sogar das Leben gerettet. Jetzt bin ich alt und erinnere mich immer besser an die Dinge, die zurückliegen; vielleicht erinnere ich mich an diese sogar besser, als mir lieb ist. Nun habe ich das Gefühl, dass ich ihren Namen irgendwo festhalten möchte. Als ich diese Anzeige im Gemeindebrief gesehen habe, dachte ich gleich …«
Ein wenig verblüfft starrte ich den grauhaarigen Herrn an. Viele meiner Pensionäre haben Geschichten zu erzählen, aber dieser hatte offensichtlich gleich mehrere auf Lager. Vielleicht fing ja alles mit dem fehlenden Finger an …
Er musste meinen Gesichtsausdruck bemerkt habe und lächelte. Na ja, es war eine Art Lächeln. »Ich war Partisan, Rabbi«, sagte er leise. »Wir waren beide Partisanen. Wissen Sie, was das bedeutete?«
Ich hatte einige Fotos gesehen, einige Artikel gelesen, die Plattenhüllen von jiddischen Platten mit Kampfliedern … Gab es da nicht dieses Partisanenlied »Sog nit kejnmol«, »Sag nie, du gehst den letzten Weg …« Aber das war auch schon alles. Ich erwähnte das, um ihm zu zeigen, dass ich kein kompletter Idiot war, dass diese Angelegenheit ansonsten aber nicht zu meinem direkten Erfahrungsbereich gehörte.
»Wir waren Soldaten außerhalb von Recht und Gesetz. Amateure. Wir waren nicht ausgebildet - wir lernten bei den Aktionen, die wir durchführten. Wir waren alle Menschen, die irgendwie überlebt hatten, und in die Wälder gegangen waren. Dort hatten wir mit etwas Glück eine Gruppe getroffen, die uns aufnahm und uns ein Gewehr und etwas zu essen gab. Wenn wir nicht …« Er ließ den Satz in der Luft hängen.
Ich ließ ihn ebenfalls hängen.
»Wir kämpften im Krieg, aber wir hatten keine Uniformen, auch keine Dienstnummern. Wir waren anonym und ein absolut verlorener Haufen. Normalerweise versteckten wir uns bei Tag oder spähten etwas aus. Nachts zogen wir dann los, um zu töten oder zu sabotieren. Unsere Ziele waren Eisenbahnlinien, Lastwagen, Brücken, Signalstellwerke, irgendwelche Depots oder Wachtposten, alles, was wir finden konnten. Anfangs hatten wir überhaupt keine Ausrüstung; später bekamen wir dann ein bisschen Sprengstoff und bessere Waffen. Allerdings konnte man schon eine Menge Unheil anrichten, wenn man die Schrauben von Eisenbahnschienen entfernte oder Telegrafenmasten mit der Axt umhackte. Und man brauchte auch keinen Panzer und keine schwere Artillerie, um Menschen umzubringen.«
Ich warf unwillkürlich einen Blick auf seine Hand. Er bemerkte es.
»Die Leute haben falsche Vorstellungen vom Krieg«, sagte er. »Es kommt nicht so sehr darauf an, den Mann umzubringen, der die Waffe in der Hand hält. Das ist natürlich eine Möglichkeit, aber es ist schwierig und gefährlich. Er hat ein Gewehr, er ist ausgebildet, und er hat genauso viel Angst wie du. Deshalb wird er schießen.
Wenn du aber einen Zug in die Luft sprengst, der Munition zur Front bringt, oder wenn du den Zugführer umbringst, dann kann der Mann mit dem Gewehr nicht schießen, denn er hat ja keine Munition. Wenn du den Zug in die Luft sprengst, der Nahrungsmittel oder warme Kleidung an die Front bringt, dann wird der Mann mit dem Gewehr Hunger leiden und frieren und vermutlich nicht so gut schießen. Es ist sehr schwer, Leute zu töten, die in Panzern sitzen, denn sie sind geschützt und gut bewaffnet. Aber wenn du den Zug in die Luft sprengst, der Treibstoff zur Front bringt, dann kann der Mann mit dem Panzer nicht fahren, und der Panzer ist nicht mehr viel wert. Wir verfolgten also das Ziel, den Feind an seinem schwächsten Punkt anzugreifen, nicht am stärksten. Und zwar so lange, bis er freiwillig nach Hause geht und dich in Ruhe lässt.
Möglicherweise wird sich der Feind auch anstrengen, alle Züge zu schützen und sämtliche Brücken und Bahnhöfe und
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