Auf das Leben
Reparationen: Der Kaiser war verschwunden, die Kirchen waren geschwächt, weil sie den Kaiser unterstützt hatten, und die Juden waren etabliert, selbst in der Armee, die eine bedeutende militärische Tradition hatte. Deshalb schien es damals eine gute Idee, ein paar von unseren Leuten in führende Positionen zu schleusen, das konnte nichts schaden. Die Idee war ein starkes Deutschland. Das hat sich der Vatikan vermutlich auch gedacht: dass es schon nicht schaden würde. Und dann lief alles schief. Sie hatten zu wenig Kontrolle, verstehen Sie?«
»Nein«, sagte ich.
»Nun, der Vatikan hat eine eigene Struktur, nicht wahr? Da gibt es den Papst an der Spitze, aber auch eine Menge Kardinäle und alle möglichen Kommissionen und Orden, um die Macht zu teilen und auszubalancieren. Sie ist gleichzeitig zentralisiert und dezentralisiert. Sehr effektiv. Es gibt ein weltweites Netzwerk, eigene Schulen und Universitäten, eine exzellente Kommunikation, eine eigene Codesprache, verinnerlichte Disziplin, ein bisschen Firlefanz und Pomp für die Massen. Der Kurs wird diskutiert, analysiert, entschieden, angewendet, und das alles im Geheimen. Aber die Kontrolle ist zu jeder Zeit gegeben. Wenn sie einen Krieg brauchen, um eine katholische Erbfolge zu etablieren, dann gibt es einen. Gegenreformation, Inquisition - alle Instrumentarien stehen zur Verfügung. Sie sind Experten, sie haben sich seit Jahrhunderten damit beschäftigt.«
Er lächelte. »Die Orthodoxen sind das übrigens auch. Sie arbeiten mit prächtigen Verzierungen und Roben für den ehrfürchtigen Schauer, mit viel Gesang und Weihrauch - und hinter dieser farbigen Szenerie haben die glänzenden Knopfaugen Position bezogen, die genau aufpassen, was geschieht. Orthodoxe Staaten waren immer totalitär, monopolistisch. Ist das etwa ein Zufall? Es spielt keine Rolle, wie man das System nennt, es funktioniert immer auf die gleiche Art. Eine Ikone an der Wand oder eine Kamera - es hat den gleichen Effekt. Die Menschen sind eingeschüchtert.
Die Protestanten? Nun, die haben es auch geschafft, sich zu etablieren, aber hauptsächlich deshalb, weil sie aus Europa abgehauen sind und in Amerika neu angefangen haben. Oder in Australien. Europa war ihnen ein bisschen zu heiß. Es gab zu viele Konflikte. Zu viele Massaker. Als sie England noch unter Kontrolle hatten, da hatten die Protestanten hier eine ziemlich sichere Machtbasis. Vergessen Sie nicht diese Sache mit Maria, die England wieder katholisch machen sollte, oder die Schießpulververschwörung, als die Katholiken versuchten, das englische Parlament zu zerstören. Das war ganz schön knapp für die Protestanten! Aber es ist ihnen nie gelungen, die gleiche Kontrolle zum Beispiel über Irland zu bekommen. Trotz all ihrer Bemühungen. Und die katholischen Iren in Amerika waren auch eine Bedrohung, ganz zu schweigen von den Italienern und den Hispanics. Die Mennoniten und die ›Southern Baptists‹ in den Vereinigten Staaten sichern heutzutage die Grenzen des Protestantismus besser als die Episkopalen.
Und wir? Mit uns war es immer ein bisschen schwierig. Wir haben nie so etwas wie Öffentlichkeitsarbeit hingekriegt. Natürlich verfolgen auch wir unsere Interessen. Aber manchmal gibt es eben einen Mangel an Koordination, manchmal werden große Fehler gemacht, manchmal gibt es einen massiven Rückschlag. Das riskiert man immer, wenn man im Untergrund arbeitet. Und niemand will seine Fehler öffentlich machen, nicht wahr? Wir haben schon genug Feinde. Immer gehabt. Aber ich wollte mal jemandem die Wahrheit erzählen. Irgendjemandem. So ist es gewesen.«
Er wurde müde, die Augen fielen ihm zu. Deshalb sagte ich, ich müsse jetzt gehen, vielen Dank, und natürlich würde ich in ein paar Tagen wiederkommen und sehen, wie es ihm gehe.
Beim Weggehen klopfte ich an die Kabine der Schwester neben dem Eingang und gab ihr meine Karte. Sie solle mich anrufen, wenn es nötig sei, bat ich Sie.
Sie betrachtete die Karte und sagte: »Danke, Rabbi. Aber warum sollte ich das tun? Mr Henderson ist römisch-katholisch. Der Priester war erst gestern hier.«
Die nackte Wahrheit
Eine der gängigen männlichen Fantasievorstellungen ist es, nachts eine Straße entlangzufahren und dort auf eine vollkommen nackte Frau zu treffen, die sich dazu überreden lässt, zu einem ins Auto zu steigen. Wenn diese Fantasie jedoch tatsächlich wahr wird, ist es meistens nicht so, wie der arme Kerl sich das ausgemalt hat. Letzten Monat ist genau das einem
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