Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
Vom Netzwerk:
in dem immer feiner gesponnene Subtilitäten analysiert werden, während das ganze Gebäude auf tönernen Füßen steht. Dennoch sucht man mit ausufernder Statistik nach winzigen Effekten, selbst wenn der Erfolg recht mager ist. 230
    Eine besonders attraktive Spielwiese ist der kosmische Mikrowellenhintergrund für die Teilchenphysik, da man in die völlig unbekannte Anfangszeit des Universums beliebig Signale hineindichten kann. „Präzisonskosmologie als Teilchenphysik-Labor“ heißen solche Vorträge – übrigens ein echter Titel 231 –, in denen es von Sätzen wie „We know very well …“ wimmelt und die dann als Ergebnis haben, der Mikrowellenhintergrund spreche für eine vierte Neutrinosorte …
    ----
    Als die Teilchenphysik von ihren Kosten paralysiert wurde, sind viele Theoretiker in die Kosmologie umgezogen, geleitet von dem Wunschdenken, das Universum sei ein ‚großer Beschleuniger am Himmel‘. – Mike Disney
----
    Der kosmische Mikrowellenhintergrund wird auch deshalb so verzweifelt untersucht, weil er der früheste gute Datensatz ist, den uns das Universum liefert. Zwar will man aus der Häufigkeit der leichten chemischen Elemente etwas über die Anfangsphase des Universums herauslesen – damals mussten sich Neutronen vor ihrem radioaktiven Zerfall beeilen, größere Atomkerne zu formen, bevor die Expansion sie auseinander trieb. Aber wer weiß schon, ob ihre Halbwertszeit damals die gleiche war? Warum geht man einfach davon aus, dass es anfangs gleich viele Neutronen wie Protonen gab, wenn wir so herzlich wenig über diese Teilchen wissen?
    Steven Weinberg, der in seinem Buch Die ersten drei Minuten diese Geschichte erzählt, als sei er danebengesessen, brachte eine ganze Generation von Teilchenphysikern dazu, mit ihren übertriebenen Extrapolationen auch die Kosmologie heimzusuchen. [74] Abgesehen davon, dass die Häufigkeit von chemischen Elementen ein paar Minuten nach dem Urknall wieder nur sehr indirekt bestimmt werden kann, widerspricht der vorhergesagte Wert für Lithium der Messung. 232 Einen Schritt in Richtung Esoterik gehen dann die Versuche, in den ersten Sekundenbruchteilen (!) nach dem Urknall ein paar postulierte Teilchen durch sogenannte Signaturen im kosmischen Mikrowellenhintergrund nachzuweisen. Die Sensibilität einer Prinzessin, die eine Erbse durch zwanzig Matratzen spürt, wäre gar nichts dagegen. Aber die Veröffentlichungen dazu stapeln sich noch weit höher …
    ----
    Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren. – Gotthold Ephraim Lessing
----
WAS VOM KOSMOS ÜBRIG BLEIBT
    Völlig im Dunkeln liegt das Rätsel, warum im Universum praktisch keine Antimaterie vorhanden ist. Eine gängige Erklärung geht davon aus, dass im Tumult der vielen Umwandlungen von Teilchen zu Licht und umgekehrt sich zufällig die Materie gegenüber ihrem Spiegelbild durchgesetzt hat. Diese Idee der Symmetriebrechung ist hier weitgehend sinnfrei. Sie stellt ein nützliches Konzept dar, wenn man zum Beispiel siedendes Wasser beschreiben will, wird aber in der Astro- und Teilchenphysik ausschließlich als Worthülse verwendet, wenn man einen großen Unterschied nicht versteht. Und da das anfängliche Verhältnis von Photonen zu schweren Teilchen natürlich unbekannt ist, führt man hierzu wieder eine willkürliche Zahl ein.
    ----
    Asymmetrie wurde in die Theorie aufgenommen und sorgfältig angepasst aus keinem anderen Grund, als die erwünschte Antwort zu produzieren. 233 – David Lindley
----
    Was bleibt also übrig vom kosmischen Mikrowellenhintergrund? Ziemlich sicher ist, dass die Details, die man in den bevorstehenden Untersuchungen noch finden wird, nicht so wichtig sind wie die schon in der COBE-Mission erzielten Ergebnisse: Erstmals in der Geschichte der Physik konnte man feststellen, dass wir uns gegenüber dem Schwerpunkt aller anderen Massen im Universum bewegen – mit 370 Kilometern pro Sekunde in Richtung des Sternbildes Becher. Weder nach der Newtonschen noch nach der Einsteinschen Theorie erzeugt dies Kräfte, aber es ist doch eine fundamentale Eigenschaft des Raumes, über die man sicher nachdenken muss. Darüber hinaus ist die erstaunliche Homogenität des Mikrowellenhintergrundes ganz grundlegend, und wegen der zahlreichen Widersprüche in der Strukturbildung passt sie eigentlich nicht gut zu dem relativ späten Zeitpunkt, in den das Standardmodell seine Entstehung legt.
EINE AUFGEBLASENE THEORIE
    Schließlich zeigen die

Weitere Kostenlose Bücher