Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)
Fluktuationen des Mikrowellenhintergrundes eine Grundschwingung typischer Größe, die man in Kombination mit anderen Teilen des Modells als Flachheit des Universums bezeichnet. [75] Die eigentlich rätselhafte Beobachtung dazu ist jedoch viel älter, im Grunde geht sie schon auf Hubble zurück. Erkannt wurde das Problem jedoch erst von Robert Dicke im Jahr 1969: Er wies darauf hin, dass die Bewegungsenergie der im Kosmos expandierenden Massen etwa gleich groß wie die Bindungsenergie ist, mit der die Gravitation sie zusammenhält.
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Es ist nicht so, dass sie die Lösung nicht sehen können. Sie sehen das Problem nicht. – G. K. Chesterton
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Dicke wunderte sich darüber, weil die Hubble-Expansion bei einer geringfügig größeren Dichte sofort hätte langsamer werden müssen, bei einer kleineren Dichte dagegen praktisch ungebremst erfolgt wäre. Die Dichte hätte auf die Genauigkeit eines Wassertropfens im Universum festgelegt sein müssen, um unserer heutigen Beobachtung zu entsprechen – ein extremer Zufall.
Dies kann man zum Anlass nehmen, um über Alternativen zur Einsteinschen Gravitationstheorie nachzudenken, wie Dicke es auch tat, oder den Status quo wieder einmal mit zusätzlichen Annahmen zu retten. So konstruierte man eine recht oberflächliche Analogie namens ‚kosmische Inflation‘, der zufolge sich das Universum unmittelbar nach dem Urknall aufgebläht habe und damit flach erscheine wie die Haut eines gigantischen Luftballons.
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Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen. – Johann Wolfgang von Goethe
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‚Flach‘ bezieht sich hier aber auf die vierdimensionale Geometrie der Allgemeinen Relativitätstheorie, sodass der Mechanismus eigentlich metaphorisch bleibt. Zudem sei die plötzliche Expansion in den ersten 10 −35 Sekunden nach dem Urknall über 50 bis 60 Zehnerpotenzen erfolgt. Diese absurden Zahlen sollten eigentlich jeden vernünftigen Physiker davon abhalten, seine Zeit mit dieser nicht überprüfbaren Theorie zu verschwenden, denn die Vorstellung, aus ihr eine quantitative Vorhersage mit Fehlergrenzen ableiten zu können, ist lächerlich. Die Übereinstimmung zwischen Theorie und Beobachtung besteht allein darin, dass beide eine offensichtliche Zufallskomponente in sich tragen. Ebenso könnte man behaupten, die Ziehung der Lottozahlen sei vom Wetter abhängig, weil beides zufällig ablaufe.
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Die Kosmologen mögen die Inflation, weil die Teilchenphysik sie liefern kann, und die Teilchenphysik liefert sie, weil die Kosmologen sie mögen; bislang hat sie sich als immun gegen Überprüfung erwiesen. 234 – David Lindley
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Die in diesem Zusammenhang oft verbreitete Erkenntnis, die Fluktuationen im Mikrowellenhintergrund seien aus Quantenfluktuationen während des Urknalls entstanden, ist eine vollkommen banale Idee. So ist die Behauptung, die Inflationstheorie sei durch den kosmischen Mikrowellenhintergrund überprüfbar oder gar getestet, gelinde gesagt dreist. In keinem anderen Gebiet der Physik wird ein so offensichtlicher Widersinn derart penetrant nachgeplappert. 235 Es ist sicher kein Zufall, dass die Inflation sich des besonderen Interesses der Stringtheoretiker erfreut. [76]
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Niemand irrt für sich allein. Er verbreitet seinen Unsinn auch in seiner Umgebung. – Seneca
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EINSTEIN HILFT HIER AUCH NICHT MEHR
Eine Besonderheit des Mikrowellenhintergrundes wurde bisher noch nicht erwähnt: Die Strahlung ist ungewöhnlich stark. Hubble war noch davon ausgegangen, dass sich Galaxien tatsächlich voneinander entfernen, und konsequenterweise müsste man sich vorstellen, dass der heiße Urzustand sich mit einer großen Fluchtgeschwindigkeit von uns wegbewegt – aber dann müsste das Mikrowellensignal über tausend Mal schwächer sein. Wir empfangen es aber so stark wie von einer Fläche, die ruht! Ein Signal von einer heißen Fläche, die sich von uns wegbewegt, würde ganz anders aussehen.
Über diese Tatsache hatte ich mich übrigens eine Zeit lang geirrt und in Gesprächen gelegentlich die technische Formulierung gebraucht: „Ein Doppler-verschobenes Planckspektrum ist ja wieder ein Planckspektrum.“ Sie glauben nicht, wie viele Physiker hier zustimmend mit dem Kopf nickten, obwohl die Aussage völlig falsch ist. Probieren Sie es aus, sehen Sie dabei Ihrem Gesprächspartner fest in die Augen … Aber Spaß beiseite: Die Anwendung der Allgemeinen Relativitätstheorie auf das
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