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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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unbeirrbaren Pendel drehte. [16] Seine Bewegungen zeichnen die Richtungen eines unsichtbaren, stillstehenden Koordinatennetzes nach, das sich von den Bewegungen der Erde, der Sonne oder der Galaxie nicht beeindrucken lässt. Das Pendel ‚weiß‘ ebenfalls, was Ruhe ist. Woher?
    Solche ruhenden Koordinatensysteme sind in der Physik deshalb wichtig, weil man nur hier keine Fliehkräfte spürt. Schon Foucault konnte also so ein System festlegen, und die Radioteleskope können es auch, ganz unabhängig davon. Aber warum geben sie uns die gleiche Antwort? Das Ergebnis dieses Experiments ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass Sie wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, darin ein Problem zu erkennen. Nur: Es ist alles andere als selbstverständlich, dass das Pendel und der Sternenhimmel sich auf ein Ruhesystem einigen. Es kann Zufall sein – daran möchte man nicht recht glauben –, oder es sollte einen kausalen Zusammenhang geben. Ziemlich beunruhigend: In unseren Theorien der Gravitation gibt es diesen kausalen Zusammenhang nicht.
    (5) Newtonscher Eimer, der in Drehung versetzt wird.
    Sogar Isaac Newton machte sich darüber wenig Gedanken und postulierte einfach einen ruhenden ‚absoluten Raum‘, wogegen sich zuerst der irische Bischof George Berkeley wandte. Aufgegriffen und populär gemacht wurde diese Kritik durch den Wiener Physiker und Philosophen Ernst Mach, dessen Gedanken später Einstein maßgeblich beeinflussen sollten. 42 Newton betrachtete in einem berühmten Gedankenexperiment einen Eimer Wasser, den man in Rotation versetzt. Die Rotationsbewegung wird durch die Wand auf das Wasser übertragen, das schließlich wegen der Fliehkräfte an dieser hochsteigt, sodass die Wasseroberfläche eine gekrümmte Form annimmt. Newton behauptete, der Effekt, dass das Wasser gegenüber einem ruhenden absoluten Raum rotiere, sei auch in einem leeren Weltall sichtbar. Mach hingegen hielt das nicht für überprüfbar und meinte, erst die umgebenden Massen im Universum teilten dem Wasser mit, was unter Ruhesystem zu verstehen sei: „Niemand kann sagen, wie der Versuch verlaufen würde, wenn die Gefäßwände immer dicker und massiger, zuletzt mehrere Meilen dick würden …“ Es ist schade, dass wir dieses Experiment nicht durchführen und alle Galaxien auf Knopfdruck um die Erde rotieren lassen können, um dann nachzusehen, ob sich Foucaults Pendel und Newtons Eimer davon beeindrucken ließen. Wenn ja, hätte Mach recht. Der Gedanke ist doch recht tiefsinnig.
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    Alles ist einfacher, als man denken kann, zugleich verschränkter, als zu begreifen ist. – Johann Wolfgang von Goethe
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VERGEBLICHE MÜHE UM EIN LEERES WELTALL
    Die Frage nach der Existenz eines absolut ruhenden, unbeschleunigten Bezugssystems ist bis heute ungelöst. Weil wir keine Versuche in einem leeren Weltall machen können, hat man besondere Energie darauf verwendet, nach einem kleinen Effekt zu suchen, der entfernt mit Newtons Eimer zu tun hat – ein Beispiel, das zeigt, wie schwierig es manchmal ist, der Natur durch Experimente Geheimnisse zu entlocken.
    Mit Einsteins Theorie berechneten 1918 die Physiker Lense und Thirring, dass die Erddrehung eine kleine Verdrehung des umgebenden Raumes verursachen sollte, welche die Drehachse eines Kreisels aus ihrer ursprünglichen Richtung ablenken müsste. Solch ein Kreisel wurde in dem Satellitenexperiment Gravity Probe B durch rotierende Kugeln realisiert, wobei man Störeinflüsse mit supraleitenden Hightech-Materialien minimierte – eine ganz außerordentlich präzise Form eines Foucaultschen Pendels im Weltall. Was für ein Experiment! Leider erfüllten sich die hochgesteckten Erwartungen in die Mission nicht. Erst bei der Datenauswertung erkannte man, dass die tischtennisballgroßen Metallkugeln trotz perfekt runder Form eine Beschichtung erhalten hatten, die eine minimale Verschiebung elektrischer Ladungen während der schnellen Rotation erzeugte – eine fatale Fehlerquelle für ein Gravitationsexperiment, wenn man bedenkt, dass ein einziges Elektron eine ähnlich große Kraft erzeugt wie eine Million Tonnen an Gravitation. Man gab sich alle erdenkliche Mühe, noch ein präsentables Resultat vorzulegen, [17] doch die Existenz des Thirring-Lense-Effekts ist immer noch nicht erwiesen. Zwar wurde aufgrund von Bahnauswertungen der LAGEOS-Satelliten, die als Spiegel für Laserabstandsmessungen dienen, der Nachweis des Effektes behauptet, aber hier verursacht die Deformation der Erde

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