Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
ihnen schwer machen würde, getrennt zu sein. So kurz sie sich auch erst kannten, hatte sie ihn doch schon im Gedächtnis gespeichert: sein kantiges Gesicht, die Form seiner wunderschönen Augen, seine Art, beim Sprechen mit den Händen zu gestikulieren, und sein schiefes Grinsen. Sie hatten sich stundenlang unterhalten und er hatte ihr so viel von sich erzählt, aber sie wollte mehr wissen. Geschichten von der Kindheit bis hin zum College waren noch nicht erzählt. Vielleicht würde sie niemals alles erfahren, aber im Laufe der Zeit doch immer mehr. Sie freute sich darauf. »Ich fliege
wirklich
morgen zurück«, erklärte sie. »Du musst es also glauben. Ich muss wieder zur Arbeit und außerdem muss ich auch noch ein paar andere Dinge regeln. Aber keine Sorge, wir bleiben in Kontakt.«
Tatsächlich wäre Jazzy nichts lieber gewesen, als für den Rest des Sommers in Colorado zu bleiben, aber sie spürte, dass sie sich ein Stück zurückziehen musste. Diese Beziehung würde genug Zeit haben, sich zu entwickeln. Massenhaft Zeit.
»Was musst du denn regeln?«, fragte Carson, die Lippen dicht an ihrem Ohr. »Hat es irgendwas mit mir zu tun?«
»Letzten Endes vielleicht ja«, antwortete Jazzy ein Lächeln unterdrückend. »Aber jetzt muss ich erst einmal mit einer Frau über einen Job sprechen.«
48
Auf dem Rastplatz beschloss Marnie, den Rücksitz zu räumen, damit Troy sich dort ausstrecken und schlafen konnte, und so wechselte sie für den Rest der Fahrt auf den Beifahrersitz. Sie döste, als der Wagen endlich hielt; die Stimme des Navis, die »Sie haben Ihr Ziel erreicht« sagte, rüttelte sie wach. Sie war davon ausgegangen, dass sie zu Beth und Mike zurückkehren würden, daher verblüffte es sie, sich auf dem Parkplatz eines Hotels wiederzufinden.
»Sind wir da?«, fragte Troy von seinem Lager auf der Rückbank.
»Wir sind da«, erwiderte Laverne strahlend und langte über Marnies Schoß, um das Navi ins Handschuhfach zu legen.
»Wo sind wir?«, fragte Marnie und blickte sich um. »Warum halten wir hier an?« Sie drehte den Kopf nach links und rechts und rieb sich eine Stelle im Nacken.
»Kleine Planänderung«, erklärte Laverne. »Wir übernachten im Hotel. Jazzy wartet hier auf uns.«
Trotz Marnies Fragen wollte Laverne nicht mehr zu dem Thema sagen, sondern antwortete nur, Jazzy würde alles erklären. »Sie erwartet uns in der Lobby«, sagte sie.
Obwohl Laverne den größten Teil der Fahrt bewältigt hatte, war Marnie erschöpft. Beim Gehen hatte sie das Gefühl, wiedurch einen Whirlpool zu waten, und sie war sich sicher, dass sie schrecklich aussah. Eine heiße Dusche und ein Hotelbett wären vielleicht genau richtig.
Troy wurde richtig munter, besonders wenn man bedachte, dass er noch vor vierundzwanzig Stunden auf einem Feldbett im Ferienlager darniedergelegen hatte. Er rannte zum Hoteleingang, um einen Gepäckwagen zu holen, und half Laverne, den Kofferraum leerzuräumen. Marnie stand untätig daneben. Sie hätte gerne geholfen, fühlte sich aber wie ein Zombie.
Dieses Gefühl wich auch nicht, als sie Jazzy und Carson in der Lobby trafen und zu ihren Zimmern gingen, die nebeneinander lagen. »Ich dachte mir, Laverne und ich teilen uns das eine Zimmer und Troy und du, ihr nehmt das andere«, sagte Jazzy.
Als der Lift in ihrem Stockwerk hielt, löste Marnie sich lange genug aus ihrer Benommenheit, um zu bemerken, dass jemand fehlte. »Wo ist denn Rita?«, fragte sie Jazzy, als sie ihre Koffer durch den Korridor zogen. Troy taperte fröhlich hinter ihnen her. Mit seinem großen Rucksack, der über der einen Schulter hing, und einer Reisetasche, die ihm vom Arm baumelte, sah er aus, als wäre er gerade einem Pfadfinderlager entsprungen.
»Ja, also was Rita angeht«, antwortete Jazzy, die nur einen einzigen Augenblick zögerte. »Die ist nach Hause gefahren.«
»Sie ist nach Hause gefahren?«, fragte Marnie. »Was meinst du damit? Mit ihrem Auto?«
»Kein Grund zur Panik«, sagte Jazzy und reichte ihr eine Schlüsselkarte. Sie waren vor ihren Zimmern angelangt. »Ihr Mann ist hergeflogen und sie sind mit dem Crown Victoria heimgefahren, aber auf meinen Vorschlag hin. Ich hab ihnen gesagt, dass wir eine andere Möglichkeit finden würden, nach Hause zu kommen.«
Marnie hielt ihre Karte in der Hand, machte aber keine Anstalten, die Tür zu öffnen. »Also, das ist ja großartig. Ich finde es unfassbar, dass sie uns ohne eine Möglichkeit, nach Hause zu kommen, hier zurückgelassen hat.«
»Oh,
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