Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
wir finden schon eine Möglichkeit«, meldete Laverne sich zu Wort. »Jazzy hat einen Plan und der ist der Hammer.« Sie wandte sich an Troy. »Ich weiß ja, für euch junge Leute ist das heutzutage keine große Sache mehr, aber diese alte Dame hier hat noch nie in einem Flugzeug gesessen, und ich bin schon ganz aufgeregt.«
»O nein.« Marnies Herz raste allein schon beim Gedanken daran. »Ich fliege nicht. Ich hasse fliegen. Ich habe es ein einziges Mal gemacht und es war schrecklich.«
Einige Zimmer weiter ging eine Tür auf und ein Mann streckte den Kopf heraus. »Könnten Sie vielleicht etwas weniger Lärm machen? Es gibt hier Leute, die versuchen, zu schlafen.«
»Tschuldigung.« Jazzy winkte entschuldigend und sagte dann zu Marnie: »Lass uns drinnen weiterreden.«
Marnie wusste, dass sie im Zimmer auch nicht weniger panisch sein würde, aber nachdem sie erstmalmal auf der anderen Seite der Tür war, merkte sie, dass ein Hotelzimmer etwas Beruhigendes hatte. Nach all diesen Stunden im Wagen wirkten die Betten und das Badezimmer einladend. Laverne steuert direkt die Toilette in ihrem Raum an, während Troy sich die Fernbedienung schnappte, sich auf ein Bett warf und sofort begann, durch die Sender zu zappen. Jazzy nutzte die Gelegenheit, um Marnie ins Bild zu setzen. Rita sei weg, erklärte sie, und der Wagen ebenfalls. Jetzt hätten sie zwei Optionen: Sie könnten einen Wagen mieten oder heimfliegen. »Ich weiß, dassdu Angst hast«, sagte sie, »aber es ist nur ein sehr kurzer Flug, und wir haben es alle satt, im Auto zu sitzen.«
»Ich hab das Fahren auch satt. Ich würde sagen, wir fliegen«, mischte Troy sich ein, obwohl ihn keiner gefragt hatte.
Jazzy sagte: »Ich habe nachgeschaut und es gibt morgen früh immer noch freie Flüge. Wir könnten im Handumdrehen zu Hause sein.«
»Es liegt nicht daran, dass ich Angst habe«, gab Marnie zurück und überlegte, wie sie das Ausmaß des Problems erklären könnte. »Wenn es nur das wäre, käme ich klar. Aber mein Körper spielt verrückt. Allein schon der Gedanke ans Fliegen raubt mir den letzten Nerv. Ich weiß, wenn ich ins Flugzeug steige, werde ich nicht atmen können, mein Herz wird rasen und mir wird schlecht werden.« Sie rief sich die einzige Gelegenheit in Erinnerung, bei der sie je geflogen war. Damals, als Teenager, hatte sie sich auf die Klassenfahrt zur Disneyworld in Orlando gefreut. Auf dem Hinflug war alles gut gegangen, aber auf dem Rückweg waren sie in furchtbare Turbulenzen geraten, und das Flugzeug hatte so heftig geschwankt, dass mehrere der Mädchen geschrien hatten. Der Pilot hatte die Passagiere über Bordfunk beruhigt, dass alles in Ordnung sei, und die Betreuerin der Klasse, Mrs. Garneau, hatte gerufen, dies sei einfach nur wie eine Busfahrt über eine Schlaglochpiste. Mit dem Unterschied, hatte Marnie damals gedacht, dass Busse nicht einfach vom Himmel fallen konnten. Die Turbulenzen hatten mindestens eine halbe Stunde gedauert. Obwohl sie wirklich versucht hatte, sich zusammenzunehmen, hatte sie sich in die kleine Tüte erbrochen, die zu diesem Zweck bereitlag. Sie war froh, dass sie das mit der Tüte geschafft hatte (und eigentlich sogar stolz darauf, sich daran erinnert zu haben, dass sie in derTasche am Sitz vor ihr steckte), aber furchtbar war es trotzdem gewesen. Am schlimmsten war, dass sie mit der vollgekotzten Tüte dasitzen musste, bis die Flugbegleiterin eine Viertelstunde später kam und sie ihr abnahm, sie von sich haltend wie ein totes Nagetier. Ihre Klassenkameraden hatten noch Jahre später über diesen Zwischenfall geredet. Erst vor einem halben Jahr hatte eine ehemalige Freundin davon gesprochen, als sie sich im Einkaufszentrum zufällig über den Weg gelaufen waren.
(He, weißt du noch, wie dir auf dem Rückflug von Orlando schlecht geworden ist? Diese Luftlöcher waren die Hölle!)
Sie hatte sich geschworen, dass sie nie wieder fliegen würde.
»Diesmal wird nichts von alldem passieren«, sagte Jazzy. »Ich verspreche dir mit absoluter Sicherheit, dass alles gut gehen wird.«
»Mir ist klar, dass du ein Medium bist und einiges im Voraus weißt«, erwiderte Marnie. »Aber ich kenne auch mich selbst. Es ist völlig ausgeschlossen, dass das gut geht.« Sie warf einen sehnsüchtigen Blick auf das leere Bett. Im Moment wollte sie nur noch schlafen. »Schau mal, ich möchte mich nicht mit dir darüber streiten, Jazzy. Wenn ihr beide, du und Laverne, heimfliegen wollt, dann tut das nur. Ich finde schon eine
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