Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
zu hart gegen diese Frau. Laverne konnte ein bisschen nervig sein, aber sie war eine gute Seele. Es war nicht ihre Schuld, dass die Fahrt Marnie so rappelig machte und dass Lavernes Begeisterung, endlich einmal außerhalb Wisconsins auf Reisen zu sein, sie verstimmte. »Laverne«, sagte sie, nachdem sie das Licht ausgeschaltet und es sich unter den Bettdecken bequem gemacht hatten, »was glaubst du, hat es mit diesem Preston Place auf sich?«
Laverne gähnte. Marnie hörte das Bett quietschen, als sie sich zur Seite drehte. »Ich weiß es nicht.«
»Es hat etwas mit Rita und ihrer Tochter zu tun, soviel habe ich bei ihrem Gespräch mitbekommen, als du auf der Toilette warst.«
»Okay.«
»Es regt mich irgendwie auf, dass sie Dinge für sich behalten. Ich meine, wir wissen doch, dass Jazzy ein Medium ist, das ist also kein Geheimnis. Ich kann es einfach nicht haben, wenn ich außen vor bleibe.«
»Sie werden es uns bestimmt morgen erzählen.« Lavernes Stimme wurde immer schläfriger. »Ich würde es nicht persönlich nehmen.«
»Da hast du vermutlich recht.« Marnie zog an ihrer Decke, bis der glatte Baumwollstoff ihr Kinn berührte. Sie holte tief Luft und sog den Geruch sauberer Wäsche ein. »Aber Geheimnisse sind mir einfach verhasst. Das ist so eine Eigenheit von mir, glaube ich. Brian hat immer so viel vor mir zurückgehalten. Ich hatte dann immer das Gefühl, sein Vertrauen nicht zu verdienen. Verstehst du das?« Sie wartete auf eine Antwort, doch von Lavernes Seite des Betts kam nur lautes Atmen. Kurz darauf verwandelte dieses Atmen sich in ein eigenartiges Schnarchen, ein sonderbares Geräusch, als zerplatzte Luft zwischen geschlossenen Lippen. Dann ein Keuchen und eine ganze Weile später ein dumpfer Schnarchlaut. Als wäre eine Sägemühle kaputt gegangen. Diese Laute waren Marnie vertraut, denn sie hatte die männliche Variante dieser Geräusche während ihrer ersten Jahre mit Brian jede Nacht gehört. Sie war zwar keine Ärztin, aber diese Diagnose traute sie sich zu.
Laverne hatte Schlafapnoe. Kein Wunder, dass sie immer müde war. Marnie würde es ihr am nächsten Morgen sagen.
Im anderen Zimmer war Rita zu aufgedreht, um zu schlafen. Sie hatte Jazzy ausgefragt, sobald sie allein waren, war aber nicht ganz zufrieden mit den Antworten.
»Diese Stimme vorhin – du bist dir absolut sicher, dass es dieselbe war wie die, die du auf dem Rastplatz mit den Hirschkühen gehört hast?«
»Ja, es war genau dieselbe«, antwortete Jazzy. »Und ja, sie sagte, hier wären wir richtig, um Preston Place zu finden.«
»Und du hattest den Eindruck, dass es Melinda war?«
»Ja, unbedingt.«
»Hat sie irgendetwas über mich gesagt?«, bedrängte Rita sie weiter. »Hast du noch irgendwelche anderen Einzelheiten gehört?«
»Rita«, erklärte Jazzy streng und für einen Augenblick erinnerte sie Rita an die Art, wie Melinda mit ihr gesprochen hatte, wenn sie fand, dass ihre Mutter sich in ihre Angelegenheiten mischte. »Ich habe dir gesagt, was ich weiß. Wenn es sonst noch etwas gäbe, würde ich es dir erzählen, das kannst du mir glauben.«
Als Jazzy im Badezimmer duschte, rief Rita Glenn an. Sie glaubte, die Nachricht, dass Preston Place tatsächlich existierte, würde ihn erstaunen, aber er reagierte gelassen. »Ich sage das nicht gerne, Schatz, aber es könnte einfach ein Zufall sein.« Er wollte nicht, dass sie sich Hoffnungen machte und später enttäuscht wurde, das wusste sie, aber wäre es wirklich so schlimm gewesen, ein wenig mehr Begeisterung aufzubringen?
Sie versuchte, ihm klar zu machen, wie unheimlich es war, dass Jazzy eine Stimme hörte, die die Worte ›Preston Place‹ sagte, und dass sie nur Minuten später die Bestätigung von Beth erhielt. »Wenn du es mit eigenen Augen gesehen hättest, Glenn, wärst du beeindruckt gewesen. Es war geheimnisvoll. Jazzy und ich sind beide überzeugt, dass es Melinda war. Hier ist etwas im Gang, etwas Größeres, als ich jemals erlebt habe.«
Nun stimmte er ihr zu, aber sie spürte, dass er sie nur beschwichtigen wollte. Der Wagen machte ihm mehr Sorgen.»Mir gefällt der Gedanke nicht, dass du bei Fremden übernachtest«, sagte er. »Möchtest du, dass ich morgen zu euch rausfliege? Ich kann am Flughafen ein Auto mieten, dich abholen und selbst mit der Werkstatt verhandeln.«
Sie lehnte erst energisch ab, dachte aber noch einmal darüber nach und meinte dann, vielleicht doch. Sie werde ihm Bescheid geben. Probleme mit dem Wagen konnten so
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