Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
sie durch die Haustür in einen freundlichen, von einer Lampe im Tiffany-Stil sanft erhellten Raum, den Jazzy für das Wohnzimmer hielt. Die beigefarbene Couch und zwei dazu passende Sessel wirkten gut gepolstert und sahen einladend aus. Nachdem die Frauen sich vorgestellt und gesetzt hatten, fragte Beth: »Wo kommen Sie denn eigentlich her?«
»Wir kommen aus Wisconsin«, antwortete Laverne und beugte dann etwaigen abschätzigen Kommentaren mit der Bemerkung vor: »Es ist ein wirklich großartiger Bundesstaat.«
»Oh, wir waren schon oft dort«, gab Beth zurück. »Ich habe eine Kusine, die in Lake Geneva lebt. Dort ist es wunderschön.«
»Wir wohnen ein Stück weiter nördlich«, erklärte Marnie.
Beth stand plötzlich auf. »Oh, bitte entschuldigen Sie meine Manieren. Ich haben Ihnen noch gar nichts zu trinken angeboten.«
»Ich brauche nichts zu trinken«, meinte Laverne. »Aber ich würde gerne Ihre Toilette benutzen.«
Jetzt geht das wieder los, dachte Jazzy. Als nächstes wäre dann Rita an der Reihe, wenn es beim üblichen Muster blieb.
»Natürlich«, sagte Beth und ging ihr durch einen Flur voran.
Während die beiden außer Hörweite waren, beugte Rita sich vor und zischte Jazzy zu: »Was hast du dir bloß dabei gedacht, auf dieses Motorrad zu steigen und die Entscheidung für uns alle zu treffen? Ich kann das gar nicht glauben. Das ist doch verrückt.«
Für Jazzy waren die Worte nur ein Hintergrundrauschen. Sie war auf eine andere Art von Kommunikation konzentriert, auf eine Stimme in ihrem Kopf, die ihre Aufmerksamkeit forderte. Sie hob die Hand, aber Rita, die das Signal nicht verstand, fuhr fort: »Wir müssen eine Lösung finden. Ich fühle mich nicht wohl damit, hier zu übernachten.«
Marnie murmelte etwas, was Jazzy nicht verstand, aber es war klar, dass sie zu vermitteln versuchte. Marnie ertrug Konflikte nicht gut.
»Jazzy? Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte Rita und winkte mit dem Arm.
»Aber warum bist du dann überhaupt hinten auf das Motorrad gestiegen?«, fragte Marnie Rita. »Ich habe das als Zeichen gedeutet, dass das für dich in Ordnung ist.«
Rita zeigte auf Jazzy. »Ich konnte sie doch nicht einfach mit einem Haufen Fremder wegfahren lassen. Ich musste im Bruchteil einer Sekunde entscheiden. Da habe ich mir gesagt, dass wir in der Gruppe geschützt sind.«
Beth kam aus dem Flur. Sie hatten sie nicht kommen gehört, aber ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie alles mitbekommen hatte. »Gibt es ein Problem?«, fragte sie freundlich.
»Nein«, antwortete Jazzy. »Alles ist in Ordnung.«
»Also, eigentlich gibt es doch ein Problem«, wandte Rita mit gezwungenem Lächeln ein. »Ich weiß Ihre Gastfreundschaft wirklich zu schätzen, aber Sie müssen verstehen, dass mir nicht ganz wohl dabei ist, Ihr Angebot anzunehmen.«
Marnie warf ein: »Es ist nicht so, als wüssten wir nicht zu schätzen ...«
Rita ließ sich nicht unterbrechen und walzte Marnies Höflichkeiten einfach nieder. »Ich bin mir sicher, Sie wissen, was ich meine – Sie wirken zwar wie reizende Leute, aber Sie kennen uns nicht und wir kennen Sie nicht. Es wäre eine unangenehme Situation, wenn wir hier übernachten würden. Falls es eine Möglichkeit gibt, ein Taxi zu rufen, das uns zu einem Hotel bringt, dann würden wir, selbst wenn es teuer wird und wir lange warten müssen ...«
Jazzy konnte sich nicht länger zurückhalten. Sie hatte endlich verstanden, was die Stimme ihr zu sagen versuchte. Jetzt ergab alles Sinn. Sie sprang auf und schreckte damit alle im Raum auf. »Nein, Rita, nein«, erklärte sie energisch. »Wir müssen hier bleiben. Ich weiß aus sehr zuverlässiger Quelle, dass wir hier bleiben sollen.« Sie betonte die Worte ›aus zuverlässiger Quelle‹ in der Hoffnung, dass Rita begreifen würde, was sie meinte, aber das war eindeutig nicht der Fall, sie blickte einfach nur verwirrt drein.
»Wovon redest du?«, fragte Rita gereizt.
»Es geht um die Botschaft von Melinda«, erklärte Jazzy. »Genau hier sollten wir Halt machen.« Sie wandte sichBeth zu. »Haben Sie jemals von einem Preston Place gehört?«
Beth warf ihr ein erstauntes Lächeln zu. »Ja, natürlich.«
Rita fuhr hoch und das Blut wich ihr aus dem Gesicht. »Wo ist es? Wo ist Preston Place? Ist es weit von hier?«
»Nein, es ist nicht weit weg. Es liegt mitten in der Stadt an der Hauptstraße. Neben dem Eisenwarenladen und gegenüber der Tankstelle.« Beth sagte das, als würde dadurch irgendetwas
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