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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Begonienkrieg.
Über die Rivalität zweier Städte und ihre Entscheidung, der Königin als Ehrenpreis oder Opfergabe entweder eine Blumenuhr oder eine preisgekrönte Begonie anzubieten!
    Ja, Alice Thumb, ich verliebte mich in den dunkelbelaubten Busch, der für mich eine Atmosphäre von Schmerz und Melancholie besaß, eine spirituelle Würde, die niemand ignorieren kann und die bewirkt, dass die Entwicklung des Lebensder dortigen Bevölkerung in einem rebellischen Gegensatz dazu verläuft – heitere Rufe, laute Stimmen, viel Musik inmitten von fortgesetzten Sinnestrivialitäten und ein Auffüllen von seelischen und sexuellen Hohlräumen mit elektrisch betriebenen Geräten und Haushaltsgütern und -göttern. Der Wald und das Land sind eindeutig die Eltern, die Vorfahren, die auf ihre Anwesenheit aufmerksam machen, und was können die Menschen anderes tun gegen ein Leben in solcher Abhängigkeit, als sich auflehnen? In einem für Erdbeben und Vulkanausbrüche anfälligen Land war die Konzentration auf das Gewöhnliche und Alltägliche, das Sichtbare, das repräsentative Bild ein Mittel, das Land unter Kontrolle zu halten, wie mit Zügeln, um zu verhindern, dass die großen Feuer aus Asche und brennenden Steinen von Berg zu Berg geschleudert wurden, um zu verhindern, dass die sich unter den Hügeln regenden Ungeheuer, die statt mit einem Fell mit Jahrhunderten überzogen sind und Muster tragen aus den Abdrücken der geologischen Zeit, sämtliche Bewohner vernichteten und auslöschten, als wären es Staubkörnchen oder unordentlich herumliegende Fädchen, die das aus Zeit gewebte Tuch der Erde verunstalten.
    Ich habe diese Dinge gesehen, Alice Thumb, weil ich ein Fremder und ein Liebender war. Doris und ich gingen oft in den Busch, wie ich ihn nennen lernte, und saßen neben den grünen Flüssen, die ein beständiges Spiegelbild der Landschaft in sich tragen. Ich verliebte mich in das Gras und die Steine, diese riesigen Flusssteine, die weiß und glatt wie Kissen in den sommertrockenen Flussbetten und im fließenden Schneewasser liegen, die grünen ‹Wassertücher›, ‹gewoben› nach der Mode, in einem Land, das besessen ist von Innen- und Außendekor (denn die Natur kommt nie aus der Mode);diese Tücher, die von einem Rand zum anderen und noch weiter reichen und manchmal über das mit Manuka-Sträuchern, Grasbüscheln und Matagouri eingerichtete Zimmer mit der hohen Decke fließen, die in demselben Blau gestrichen ist, wie es die Maler der florentinischen Schule verwendeten – dem Blau auf dem Mosaiktischchen dort, in der Ecke des Wohnzimmers. Eine Kopie.
    Als Doris und ich heirateten, wäre ich lieber in Neuseeland geblieben. Wir leben jetzt in London, und dort habe ich eine andere Welt entdeckt als die, in der die Menschen das ‹Gemeinwohl› als Gewand drohenden Unheils anlegen. Ich begann, über die Helden nachzudenken, die Helden und Heldinnen der Religion, die kühnen Mondbesucher, die so programmiert und überwacht wurden, dass sogar ihre Ansprachen bei der Mondlandung vorbereitet waren, die wie die Begonien in ihrem künstlichen Umfeld gehegt und gepflegt wurden und doch Augenblicke der Rebellion und Selbstbehauptung erlebten, Triumphe menschlichen Verhaltens, die fälschlicherweise als Fehlverhalten eingeschätzt wurden. Und ich begann an jene Menschen zu denken, die sich gegen die Überwachung durch die organisierte Wissenschaft wehrten und in kleinen Booten aufbrachen, um die Welt zu umfahren, allein mit Meer und Himmel zu sein, als menschliches Element zwischen den Elementen des Universums zu existieren, ohne jede Vorbereitung von Ansprachen, richtigem Atmen, einem wohlriechenden Fäkaliensack oder einem vorgeplanten Gleichgewicht genau berechneter Abläufe. Vielleicht lachst du über mich, Alice Thumb, darüber, wie ich mich nun bemühe, ein konventioneller Rebell zu werden, der dennoch auf stereotype Weise handeln und der Wüste die Stirn bieten will.
    Ich träume davon, dass ich in der Wüste, wo mir vielleichtSandkörner, die sich ohne Wurzeln oder sichtbares Wachstum ansammeln, ins Gesicht geweht werden, zusammen mit Salz aus toten Meeren, wo der Wind weder die Verheißung von angenehmen Regen in sich trägt noch die Erinnerung daran – dass ich in dieser Wüste ein Übermaß an Wachstum in mir entdecke, kein bösartiges Wuchern, auch kein Wachstum, dessen Ergebnis ich heute als preisgekrönte Gewächshausbegonie bezeichnen würde, sondern etwas Eigenes, ein Stück Realität, von dem es niemals

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