Auf dem Rücken des Tigers
ertrunken war.
»Interessant«, sagte sie und sah mir in die Augen.
Ich wies mit der Hand auf das Schloß, aber ich sah nur Lauras große, helle Iris, sah die Haare, an denen sich der Wind vergriff.
Ich war voller Zorn auf den Wind und auf Wolfgang und auf Laura und auf mich.
Ich suchte im Boot nach Schnaps, zum Glück vergeblich: hätte ich an diesem schönen Herbsttag eine Flasche ausgetrunken, wäre es geschehen, auf dem Boot, mitten im See, im Blickfeld der feinen Leute, die das Ufer mit Villen verunstalten konnten, besiedelt mit grünen Witwen, wie sie ihre Männer betrügen oder außerhalb der Weekend-Ehe von ihren Männern betrogen werden: der Gang der Dinge.
Mein Körper erstarrte, als Laura die Arme um meine Schultern legte.
Sie zog mich an sich und küßte mich, anders als zuvor: »Hab' ich dir schon gesagt, daß ich dich mag?« fragte sie.
»Was meinst du, was ich dir alles sagen müßte?« antwortete ich und schwieg.
»Wir lieben uns. Nicht?« fragte sie, als spräche sie vom Wetter. »Ja.«
»Und dabei wollen wir es bewenden lassen«, sagte Laura.
»Nicht wollen«, wandte ich ein, »müssen!«
»Wie lange werden wir das durchhalten?«
»So lange wir Wolfgang noch in die Augen sehen können«, antwortete ich.
»Wenn du zu ihm gingst – und um meine Hand anhieltest?«
»Das wäre mir zu modern«, versetzte ich. »In manchen Dingen bin ich ein echter Bourgeois.«
»Wolfgang würde mich freigeben«, erwiderte Laura.
»Und unglücklich sein.«
»Er vielleicht nicht«, entgegnete sie, »aber du – ich – wir.«
»Wären wir bloß nicht so kompliziert«, antwortete ich.
»Dann«, sagte Laura mit einem feinen Lächeln, »hätten wir die Erfüllung wohl schon längst hinter uns.«
»Hast du Wolfgang schon einmal betrogen?« fragte ich.
»Ja – und nein.«
»Was heißt das?«
»In Gedanken«, antwortete Laura. »Und eigentlich«, fuhr sie fort, »ist von da ab zum Physischen kein großer Unterschied. Oder?«
»Ich weiß nicht«, antwortete ich.
»Hast du noch nie mit mir geschlafen?« fragte Laura. »In Gedanken.«
»Häufig«, erwiderte ich, »aber ich glaube, es ist doch ein großer Unterschied zwischen Tat und Traum.«
»Wollen wir ihn vergessen«, entgegnete Laura.
Von da an lebten wir in einer Ehe zu dritt: eine Josephsehe, bei der es vielleicht gleich zwei Zimmermannsleute gab.
Laura und ich gingen ins Theater. Wir liefen Ski miteinander. Wir waren meistens einer Meinung, und wenn wir uns stritten, hörte es sich an, als liebkosten wir einander. Wir waren siamesische Zwillinge, die sich nicht trennen lassen wollten, denn einer wollte nicht auf Kosten des anderen überleben.
Laura war kapriziös, doch ihre Laune konnte kentern wie ein Boot. Ich spürte, daß sie Wolfgang brauchte. Vielleicht war sie seine schwierigste Patientin. Oder sein großer Fall, womöglich war er nicht so kurzsichtig, wie er sich gab. Mit der Zeit kam mir der Verdacht, daß ich mehr das Opfer unseres Dreieck-Dilemmas sein könnte als er.
Benutzte mich der Freund als Mittel zum Zweck? Als Arznei wider die depressiven Anfälle seiner Frau? Sprach er nicht mit mir darüber, um aus einem Naturtalent nicht einen schlechten Schauspieler zu machen?
Ich wußte, daß Laura an einem Schuldkomplex ihrem Vater gegenüber, den sie verloren hatte, als sie sich von seiner überstrengen Lebensart frei gemacht hatte, litt. Ich verstand nicht viel von Psychoanalyse, aber trotz des nicht sehr großen Altersunterschieds betrachtete sie ihren Mann wohl als eine Art Vaterersatz, an dem sie die Wiedergutmachung für den leiblichen vollziehen wollte.
Laura kämpfte dagegen, die vermeintliche Verfehlung ihrer Jugend zu wiederholen. Sie fühlte sich zu mir hingezogen und zugleich von Wolfgang festgehalten. So war sie, mehr fragil als labil; es mehrte den Reiz, nährte unser Trauma. Wir lebten in einem psychischen Spannungsfeld, reizüberflutet, zwangsgehemmt.
Immer und abwechselnd war einer mehr versucht als der andere, die Fessel Freundschaft zu zerreißen. Es war Lauras Verdienst, daß wir bisher keine der Gelegenheiten wahrgenommen hatten.
Es war auch meine Zurückhaltung, daß uns Wolfgang immer noch vertrauen durfte.
Ob unserer Abstinenz verlachten und verspotteten wir uns: es war ein pathologischer Zustand. Wir waren Nachtwandler des Tages, Seiltänzer der Stunde, ohne Netz, vor einem vollbesetzten Haus, das uns alles – außer der Zurückhaltung – abnahm. Vielleicht glaubte nur noch Wolfgang, der
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