Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
wir gerade ein Land.«
    »Gut, daß wenigstens Sie Algerien bereits aufgegeben haben«, antwortete ich.
    »Noch viel mehr«, erwiderte der Mandarin melancholisch. »Ich nehme meinen Abschied.« Er klopfte mir auf die Schulter. »Wenn wir uns wiedersehen, bin ich Zivilist.«
    Nach siebzehn Monaten Algerien reichte mir Nordafrika.
    Ich flog über Paris nach Deutschland zurück.
    Erik holte mich am Rhein-Main-Flughafen ab, begleitet von Aglaia.
    Obwohl ich wußte, daß der Ehrgeiz ihr ständiger Begleiter sein würde, war ich erstaunt, was die Jungfrau aus Bamberg aus sich gemacht hatte.
    Sie trug ein elegantes Dior-Kostüm, dezent und schlicht. Nicht nur ihre Sprache, selbst ihren Gang hatte sie verändert, und im ersten Moment schien es mir, als wäre sie sogar noch gewachsen.
    Aglaia hatte aus ihrer Erscheinung, aus ihrer Sprache, selbst aus ihrem Denken ausgemerzt, was an ihre kleinbürgerliche Herkunft erinnern konnte. Erik, der nie Emotionen zeigte, präsentierte seine Frau mit Stolz.
    Für mich war Aglaia fremd geworden.
    Sie bemerkte es, berührte mich mit der Hand und stellte die alte Vertrautheit wieder her. »Deinem Gesicht nach hast du einiges hinter dir«, sagte sie, »aber du hast dich verbessert.«
    Der Wagen hielt vor einer Villa am Stadtrand; das Haus war eingerichtet, wie ich es vermutet hatte: kultiviert und ein wenig steif, ein Interieur, bei dem man sich nicht im Pyjama an den Frühstückstisch setzen kann.
    Aber das würde Erik ohnedies nie tun.
    Ich bemerkte, wie sehr mein Bruder seine Umwelt beherrschte, ohne laut oder direkt zu sein. Die braune Staatsjugend hatte ihn wie mich erzogen, aber Erik schien aus Oxford zu kommen. Ohne Hintergedanken konnte ich feststellen, wie gut Aglaia und Erik zueinander paßten.
    Der Konzern hatte einen Erfolgsrekord nach dem andern gebrochen, aber auch einen Verlust erlitten: Georg, unser Halbbruder, der eigentliche Kronprinz des alten Schindewolff, war mit seiner Frau bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Aglaia und Erik, die noch kinderlos waren, hatten den fünfjährigen Sebastian bei sich aufgenommen, wiewohl sie sich, stets auf großen Reisen, nur wenig um den Neffen kümmern konnten.
    »Ohne Daniel Gersbach wäre der Konzern nach Georgs Unfall ins Rutschen gekommen«, sagte Erik. »Jetzt sind wir über dem Berg. Es läuft eigentlich alles von selbst. Wir haben den größten Teil der Gewinne re-investiert. Daniel und ich haben dabei dein Einverständnis vorausgesetzt.«
    Aglaia merkte, daß mich die Entwicklung des Familienunternehmens langweilte.
    »Ich habe deine Berichte gelesen«, lenkte sie auf ein anderes Thema über. »Du wirst immer besser.«
    »Danke.«
    »… und engagierter«, setzte sie hinzu, »wir sollten dir mehr nachstreben, statt unser Wirtschaftswunder zu mästen.«
    Aglaia wußte, was zu sagen und was zu tun war gegen den Kolonialismus wie gegen eine ganze Palette von Tropenkrankheiten, auf die ich es mit der Zeit gebracht hatte. Meine Schwägerin kannte einen Spezialisten in Tübingen.
    Ich wollte diesmal länger in Deutschland bleiben, um ein Buch zu schreiben, und hatte mich bereits im Süden nach einem Domizil umgesehen. Eigentlich war es gleich, ob ich in den oberbayrischen Bergen oder am Rand des Schwarzwalds Erholung fände.
    Ein überraschender Telefonanruf beendete die Wahl: Wolfgang war von den Staaten nach Deutschland übersiedelt, um in der Nähe Münchens eine Klinik zu übernehmen.
    »Tübingen kannst du dir sparen«, sagte er. »Komm sofort hierher.«
    Es war ein Befehl, und ich hatte keine Chance, mich gegen ihn zu wehren. Ich würde Wolfgangs erster Patient werden. Einen besseren Arzt konnte ich nicht finden – und von Laura hatte er nicht gesprochen. Ich mußte vermuten, daß er vor ihr ebenso nach Deutschland geflüchtet sei wie ich vor Jahren nach Indochina und Algerien.
    Ein paar Tage später traf ich den Freund in München. Er war in medizinische Pläne verstrickt, die ihn mehr beschäftigten als persönliche Dinge. Nur zwischendurch erfuhr ich, daß Laura noch in den Staaten war, um den Umzug vorzubereiten. Wolfgang sagte es so beiläufig, daß ich fürchtete, andere Gründe hielten sie zurück.
    »Mir hätte es gar nicht so pressiert mit der Rückkehr nach Old Germany«, erklärte Wolfgang. »Laura betrieb die Übersiedlung zielstrebiger als ich.« Er sah mich an: »Alles in Ordnung mit ihr, alter Junge«, setzte er mit müder Lebhaftigkeit hinzu.
    »Du machst mir viel mehr Sorgen als meine

Weitere Kostenlose Bücher