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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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paar Tage lang laute Schlagzeilen machte, belebte, ließ das Kanzleramt – sein Staatssekretär hatte früher die geistigen Grundlagen des Judenmordes geschaffen – die Welt wissen, wie sehr Bonn diesen Bubenstreich verurteilte.
    Daniel Gersbach war tot.
    Ich versuchte mich in einem Hotelzimmer damit abzufinden, getröstet von meinem falschen Freund, dem Whisky.
    Meine Gedanken waren bei Daniel in Stockholm nach meiner Ankunft und in New York bei seiner Mutter, einer fast Achtzigjährigen, der ich nun beibringen mußte, daß sie den letzten ihrer Familie verloren hatte.
    Mit dem Schnaps kam ich weiter, nicht mit dem Brief.
    Ich hatte es nicht gehört, als ein später Gast in mein Hotelzimmer getreten war, um mich auf eine Art zu trösten, die in dieser Nacht wohl die menschlichste wäre.
    »Was tust du hier?« fuhr ich Laura an.
    »Komm«, sagte sie und legte den Arm um mich.
    Sie war mir nach Frankfurt gefolgt.
    Ich schlug ihr ins Gesicht.
    In dieser Nacht blieben wir erstmals zusammen.
    Ich fuhr nach Starnberg zurück. Allein. Wolfgang unterbrach seine Visite nicht. Ich lauerte ihm am Gang auf. Er nickte mir zu: »Gleich«, sagte er.
    Vielleicht konnte er Gedanken lesen – oder Laura hatte es ihm schon berichtet. Es dauerte fast noch zwei Stunden, bis mir der Freund nicht mehr ausweichen konnte.
    »Daniel ist tot«, sagte ich. »Und ich habe mit Laura geschlafen.« Ich stand vor ihm. Ich kam mir klein vor, schmutzig; ich hielt Wolfgang nicht nur die linke Wange hin.
    Er zeigte keine Regung, beugte sich, griff in sein Schreibtischfach, holte eine Flasche Kognak hervor, schenkte ein Glas voll und schob es mir hin, obwohl er mir sonst alkoholische Getränke verboten hatte.
    »Trink«, forderte er mich auf. »Du hast es nötig.«
    »Und du?«
    »Danke«, antwortete er. »Wo ist Laura jetzt?«
    »In Frankfurt«, erwiderte ich.
    »Du hast sie einfach – so zurückgelassen?«
    »Ja«, versetzte ich.
    »Das war dumm und falsch«, rügte Wolfgang und stand auf.
    »Sie braucht dich«, entgegnete ich, »nicht so sehr mich.«
    »Sie braucht uns beide.«
    »Ich kann dir nicht garantieren, daß sich diese Nacht nicht wiederholt.«
    »Du brauchst es auch nicht«, antwortete Wolfgang.
    Ich spürte Zorn, aber ich merkte, daß ich ihn nur als Ausflucht nutzen wollte, und wehrte mich dagegen.
    »Was soll das heißen?« fragte ich.
    »Es heißt, daß es mir in erster Linie um Laura geht«, erwiderte der Freund. »Und in zweiter um dich.«
    »Und erst in letzter um dich!« fuhr ich ihn an.
    »So ist es«, entgegnete Wolfgang. Er blieb ruhig, gelassen, ein Medizinal-Erlöser, den mein nicht mehr kontrollierbarer Zorn ans Kreuz schlagen wollte.
    »Willst du dich wie ein Zuhälter benehmen?« schrie ich.
    »Davon verstehst du nichts«, antwortete er. »Und nun verlange ich von dir, daß du dich um Laura kümmerst, und zwar sofort, und mich mit deinen Enthüllungen in Ruhe läßt. Stiehl mir nicht weiter meine Zeit, die meine Patienten nötig haben.« Er stand auf, nickte grimmig. »Haben wir uns verstanden?«
    »Nein«, versetzte ich.
    Erst als Wolfgang gegangen war, stürzte ich den Kognak hinunter. Dann fuhr ich nach Frankfurt zurück. Laura war schon abgereist.
    Ich rief Wolfgang an.
    Er sagte mir, daß sie zu ihm zurückgekehrt sei. Heimgekehrt zu ihrem Mann, der auch einen Vater zu ersetzen hatte.
    Ich fuhr zum Rhein-Main-Flughafen.
    Ich nahm das Flugzeug in die falsche Richtung, landete in New York, flog dann weiter nach Panama, nach Peru, und kam schließlich nach Kuba, wo ein scheinbar hoffnungsloser Aufstand ausgebrochen war.
    Auf einem zwanzig Meter langen Schiff, das maximal zehn Personen aufnehmen konnte, waren in einer Sieben-Tage-Fahrt 82 junge Rebellen zur Küste von Oriente gekommen, waren seekrank gelandet, ausgemergelt.
    Eigentlich hatte bei ihrer Ankunft nur noch ihr Haß auf den Unterdrücker ihres Landes gelebt.
    Die Aufständischen in den olivgrünen Uniformen waren von Flugzeugen – made in USA – bombardiert worden. Die umliegenden Garnisonen jagten sie. Die modern ausgerüstete 30.000-Mann-Armee des Diktators brach mit Panzern und Flugzeugen auf, um die zwölf Barbudos, die noch übriggeblieben waren, zu vernichten.
    Während das offizielle Amerika der blutigen Marionetten-Regierung half, erinnerte sich die Öffentlichkeit der Robin-Hood-Sage und lief – zunächst – mit ihren Sympathien zu Fidel Castro über wie die Plantagenarbeiter und Holzfäller. Im Gefolge des Befreiers erlebte ich, wie sich

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