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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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den Professor nur wegen der Fragen bemüht, die sie nicht plump stellen wollte.
    »Wie gesagt«, fuhr der Gutachter fort, »bis bei einem so komplizierten Verfahren Land in Sicht ist, dürfte Ihr Neffe Sebastian mit Sicherheit fünfundzwanzig Jahre alt und damit volljährig im Sinne des Testaments sein.« Er raffte seine Unterlagen zusammen. »Erfahrungsgemäß dürfte ihm genausoviel daran gelegen sein, einen so lästigen Prozeß durch einen Vergleich zu beenden.« Er übergab der Gastgeberin das Manuskript. »Es wäre auch nur recht und billig«, setzte er hinzu, »schließlich ist ja unter der Leitung Ihres Gatten der Konzern wieder zu solcher Höhe emporgewachsen.«
    Trotz des Zeitdrucks wollte Aglaia den Professor ausreden lassen. »Noch etwas«, setzte er hinzu, »es wäre natürlich eine weit günstigere Ausgangsposition, wenn Sie Ihren Schwager überreden könnten, sich einer Anfechtungsklage anzuschließen. Aber …« An seinem Stocken erkannte Aglaia, daß der Professor wußte, wie sie zu Christian stand, und welchen Kummer er der Geschäftsleitung zu bescheren pflegte. »Aber das ist wohl ein schwieriger Fall.«
    Aglaia hatte es vorausgesehen; abgesehen vom Finale, hielt sie das Problem Christian für gelöst. Wie weit sie gehen müßte, wenn sie den entscheidenden Schlag führte, lag nur an ihrem Schwager. Sie würde keine Hemmungen haben, selbst eine äußerste Grenze zu überschreiten.
    Sie beglückwünschte sich zu ihrer Umsicht, rechtzeitig ein ganzes Arsenal an Waffen und Munition angelegt zu haben. Aglaia hatte weder ihre Abneigung gegen Christian vor Erik verheimlicht, noch Frontalangriffe gegen ihn unternommen. Wäre sie Erik mit zu überraschenden Forderungen gekommen, hätte er seine unsinnige Sentimentalität für Christian nur noch mehr kultiviert. Deshalb hatte sie, bevor sie etwas unternahm, alle Schliche und Schritte des Dubiosen sorgfältig zusammentragen lassen. Ein Mann wie Erik war ihrer Meinung nach zu glatt, zu kalt und intelligent, um einen skandalösen Parasiten, der den Konzern jährlich Millionen kostete, weiterhin unter juristischen Naturschutz zu stellen.
    Falls sich wider Erwarten Erik gegen sie stellen sollte, würde sie über subtile Mittel verfügen, diesen Widerstand zu brechen. Ansonsten arbeitete die Zeit für Aglaia: Entweder würde bei Christian die Leberzirrhose oder bei Erik der gesunde Menschenverstand siegen. War das nicht abzuwarten, standen ihre Dossiers bereit, üppig und prall wie Müllkübel, deren Deckel sich nicht mehr schließen ließen.
    »Zu näheren Erläuterungen stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung, gnädige Frau«, schloß Professor Habenschaden.
    »Würde der Erbvertrag«, setzte Aglaia an, »ein adoptiertes Kind einem – eigenen gleichstellen?«
    »Ich nehme an«, antwortete der Professor.
    »Ich habe noch eine seltsame Frage«, kam Aglaia zur Sache: »Sie kennen ja die Misere mit meinem Schwager …«
    Der Professor legte die Mappe wieder beiseite.
    »… würde das Erbrecht auch für – uneheliche Kinder gelten?«
    »Diese Frage müßte ich noch prüfen«, verabschiedete sich Professor Habenschaden.
    Christian hatte Jutta zunächst als lästig empfunden, dann als amüsant, schließlich als reizvoll und zuletzt als unentbehrlich. Es war genau die Eskalation, die er fürchtete, und so begann er sich zu sorgen, daß sie noch weitergehen könnte und dann an seinen selbstauferlegten Prinzipien rütteln würde.
    Jutta blieb bei ihm, genauso wortlos, wie sie gekommen war. Ein seltsames Zusammensein; ihr Alltag war die Straße, die Kneipen wurden zu ihren Herbergen. Christian freute sich darauf, mit dem Mädchen allein zu sein, und tat alles, um es zu verhindern.
    Wie immer lud er die Umstehenden zum Trinken ein, trank aber selbst nur so viel, daß er sich noch unter Kontrolle halten konnte.
    Manchmal drängten sich ihm Fragen auf, mitunter aber wollten sich seine Hände selbständig machen und Juttas Körper streicheln, aber er unterließ das eine wie auch das andere, um ihr Zusammensein nicht zu gefährden.
    Eriks Köder wirkte noch immer nach, und er versuchte, das Mädchen zu überreden, ihn auf Aglaias Kulturempfang zu begleiten.
    Woher Jutta auch kam, sie wollte nicht dorthin zurück. Er spürte und respektierte es. Christian konnte sich nicht erklären, was sie bei einem Mann wie ihm suchte, zumal sie ganz andere Männer mit ihren Blicken verfolgten, mit Augen, die versprachen, warben und bewunderten. Christian spürte ein

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