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Auf dem Rücken des Tigers

Auf dem Rücken des Tigers

Titel: Auf dem Rücken des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Freund trösten, um ihm zu helfen, nach der Art der anonymen Alkoholiker, die er für Trottel hielt.
    Christian sah ein Gesicht, das vom Schmerz verzerrt war, und er spürte eine Kälte, die von weit her kam, aus Sibirien vielleicht oder aus einer Gruft.
    »Was hast du?« fragte er.
    Wolfgang konnte nicht sprechen. Er preßte seine Hand auf den Brustkorb, wo der Schmerz saß, aufflammend, schnell, heiß. Als der Stich sich so vergröberte, als wolle er ihm den Thorax zerreißen, diagnostizierte Wolfgang, daß ein schwerer Infarkt den Klumpen Herz bedrohte – und er kaum eine Chance hätte, den Riß zu überleben.
    »Was ist los?« fragte Christian.
    Auf einmal spürte er die gleichen Schmerzen in seiner Brust, und als er sich einen Hypochonder schalt, erfaßte ihn das Grauen, ließ ihn frieren, warf sich über ihn wie ein schwarzes Tuch.
    »Herz«, lallte Wolfgang, nüchtern, mit der Stimme eines Trunkenen.
    Er deutete auf die vorbereitete Spritze, stützte sich schwer auf Christian, versuchte mit taumelnden Schritten die Couch neben dem Waschbecken zu erreichen, sich niederzulegen, einen geordneten Rückzug anzutreten, denn ungleich anderen Ärzten hielt er sich nicht für immun wider den Tod.
    In diesem Moment, da Wolfgangs Leben in Erkenntnis verblutete, daß alles zu spät sei, sah er sich als den gleichen törichten, liederlichen und nihilistischen Selbstmörder, wie es sein Freund war.
    In verzweifelter Hilflosigkeit versuchte Christian, ihm beizustehen. Vielleicht hielt dieses Fluidum noch einmal eine Minute Leben fest, ermöglichte eine letzte Anstrengung.
    Christian sah, wie ihm Wolfgang mit den Augen wink te, auf eine bestimmte Stelle des Bücherregals wies. Christian schlug einen blauen Band auf: »Therapie-Fibel«, las er.
    Der Buchstabe H war eingemerkt, H wie Herzinfarkt.
    »Kammerextrasystolen«, las er, »Vorhofflattern.«
    Sein Herz hämmerte in seinen Schläfen. Medizinische Fachausdrücke konnte er nicht begreifen, aber er erfaßte, daß das Leben seines Freundes in seine Hände gegeben war, daß jede Hilfe von außen zu spät kommen müßte. Wenn er nicht handelte, würde der Tod als unsichtbarer Dritter diesen Raum betreten.
    Mit dem Abend kam die Spannung zurück. Aglaia hatte den Tag gepflückt, den Skandal abgedichtet und die Macht gekostet. Nun galt es, sich des Jungen zu versichern, indem sie ihn verführte.
    Sie hatte einen kleinen Imbiß vorbereiten lassen. Der Neffe hielt sich in seinem Zimmer auf; er ließ Aglaia Zeit, den Schauplatz ihres Vorhabens mit Bedacht zu wählen.
    Obwohl sie keine Gäste erwartete, gab sie sich Mühe mit ihrer Garderobe. Sie sah in den Spiegel und genoß es, die Schönste des Abends zu sein.
    Aglaia trug ein grünes Cocktailkleid aus Satin, das sich weich den Rundungen anschmiegte und genau auf ihre dunklen Haare abgestimmt war, mit einem Dekollete im Niemandsland von Verwegenheit und Wohlanstand, Schuhe aus dem gleichen Stoff und das für diesen Abend reservierte Parfum ›Vent vert‹. Als sie sich damit betupfte, lächelte sie: Grüner Wind schien ihr genau das richtige für einen grünen Jungen zu sein.
    Das Essen stand bereit.
    Aglaia hatte dem Butler erlaubt, sich zurückzuziehen. Sie hätte ihn zu Sebastian schicken oder den Neffen über Sprechanlage oder Gong zu Tisch bitten können.
    Es reizte sie, selbst nach oben zu gehen und ihn in seiner puerilen Koje aufzusuchen.
    Sie klopfte und trat sofort ein.
    »Kommst du zu Tisch?« fragte sie.
    Aglaia stand vor ihm, mit dem Rücken leicht an die Wand gelehnt.
    Die Reizüberflutung war in Sebastians Gesicht geschrieben, ein Gesicht, das viel zu jung und zu dumm war, um lügen zu können. Unten verwelkte der kalte Imbiß, und zwischen Tür und Angel wäre wohl nicht der richtige Ort, einen Jungen zum Mann zu machen, zumal Aglaia nicht wußte, ob Erik nicht doch noch käme.
    Er hatte sich noch immer nicht gemeldet; sie war zornig genug, um sich von ihrem Mann mitten im Kopulationsakt überraschen zu lassen, noch dazu mit dem eigenen Neffen.
    Sebastians Hände hingen schlaff nach unten, während sich das Blut in seinem Unterleib staute.
    Seine Haare waren schweißnaß; seine Lippen forderten; seine Augen bettelten.
    Als wolle er Aglaia schlagen, schossen seine Arme hoch, griffen nach ihrem Hals, verwühlten brutal das Dekollete.
    Aglaia genoss flüchtig und köstlich, daß der Junge ein Bauer war, ein Jungbauer, zu dumm und zu unerfahren, die Ernte in die Scheune zu fahren.
    »Laß mich los«, sagte

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