Auf dem Rücken des Tigers
Liebe der Marktplatz billiger Nachrichten, vor allem, wenn die Parachutistes mit den bunten Käppis ihre Frontzulagen durchbrachten.
Unter den Elite-Soldaten der Legion étrangère waren häufig Männer aus Deutschland, die mehr oder weniger freiwillig und ohne Umweg von der Waffen-SS in die Fremdenlegion gekommen waren.
Viele Freudenmädchen, die sich für die Tays auszogen, sammelten für die Aufständischen Informationen, manche aus Überzeugung, andere für ein Alibi. Saigon fraß sich am Kolonialkrieg satt wie der Wurm an der Leiche.
Die Stadt war fett und feil.
Manche der zierlichen Vietnamesinnen wirkten wie Kinder, alle aber lachten an einem Ort, der nichts zu lachen hatte. Die Mädchen bevorzugten Weiß, sie trugen geschlitzte Röcke, hochgesteckte Haare, und sie zwitscherten lustig und arglos.
Man sah ihnen nicht an, daß sie gewöhnt waren dem Ansturm ganzer Bataillone erfolgreicher standzuhalten als die Dschungel-Festungen. Jedenfalls waren sie, wenn auch in fernöstlicher Verfeinerung, ein Teil der abendländischen Kultur, wie sie die Franzosen – so sagten sie – in Indochina verteidigen wollten.
Ich war im Begriff zu gehen, als mich ein junger Bursche anrief, der am Arm einer Vietnamesin aus den intimeren Gemächern zurückkam.
»Mensch, du hier?« begrüßte mich Sergeant Chou-croute. Er war vor 25 Jahren in Kassel als Franz Holt zur Welt gekommen und nannte sich François Bois, seit ihm die Streifen eines Unteroffiziers verliehen worden waren.
Er ließ seine Begleiterin stehen.
Nach sieben Wochen war der Sergeant von der Fremdenlegion für mich längst ein alter Bekannter: Puff macht Durst und pleite, und ich hatte François gelegentlich nach dem Besuch des Etablissements in meine Hotelbar mitgenommen.
»Bin Stier«, sagte er, »lädst du mich ein?«
Wir verließen das bekannte Haus.
Er richtete sich auf, wirkte betont zackig; es mußte aussehen, als führte ein Soldat einen Zivilisten ab. Aber Francois spielte sich nicht vor mir auf. Die Söldner in den roten Käppis waren in Saigon gewohnt, wie Hausherren aufzutreten.
»Whisky?« fragte ich.
»Pernod«, erwiderte er. Er war angetrunken, verschwitzt, erschöpft. »Hast du auch gebumst?« fragte Chou-croute.
»Heute nicht.«
»Sind sie nicht eine Wucht?« schwätzte er wie immer. »Stell dir mal unsere Weiber dagegen vor. Verstehste, zuerst wollen sie nicht, dann bumsen sie stumm, und bevor du ihn richtig drin hast, kriegen sie schon ein Kind.« Francois schüttelte sich. »Nichts für Vatis Lieblingssohn.« Er betrachtete sein leeres Glas.
»Tolle Weiber«, schwärmte Chou-croute weiter – wegen seiner Sauerkraut-Vorliebe im ganzen Bataillon unter diesem Spitznamen bekannt. »Überhaupt 'ne feine Gegend.« Er lachte und trank gleichzeitig. »Rußland war'n Dreck dagegen.« Er sah mich an. »Warst du auch mal im Osten?«
Ich nickte.
»Schöne Scheiße, was«, sagte François und hob sein Glas: »Auf den Unterschied.«
»Auf welchen?« fragte ich, obwohl es wenig Sinn hatte, mit ihm über andere Dinge zu sprechen als er sie gerade im Haus der Fünfhundert Mädchen absolviert hatte.
»Na, das Fressen«, entgegnete er, »und die Weiber. Das eine kann ich dir sagen …« Seine kleinen Augen schwammen in einem Sud der Begeisterung, »die Kameradschaft ist bei unserem Haufen geblieben. Ganz groß.«
»Und der Heldentod?« fragte ich.
»Gibt's auch noch«, versetzte Sergeant Chou-croute, ohne meine Frage zu begreifen. »Hin ist hin. Da steht dir kein Schwanz mehr – und tut dir kein Zahn mehr weh.«
Ich ließ ihn schwätzen, nicht nur, weil sein Heimweh mein preisgünstigster Informant war: Warum sollte man ausgerechnet von ihm unterscheidende Wertungen verlangen?
Als ich das Gerede des französischen Oberbefehlshabers vom Entscheidungssieg in Dien-Bien-Phu zum ersten Mal gehört hatte, war ich versucht, in ihm meinen Kommandierenden aus Rußland zu erkennen, der wiederum verkündete, wir marschierten in fünf Tagen in Moskau ein. Beide, der Franzose mit der dreifachen Ordensspange und der überzüchtete Pferdekopf aus Potsdam, schienen die gleiche Sprache sprechen und dieselbe Uniform zu tragen.
Zwei Legionäre, ein Schweizer und ein Däne, entdeckten Sergeant Chou-croute, setzten sich neben uns und bestellten Schnaps: Zivilisten auszunehmen war Gewohnheitsrecht.
Ohnedies sah hier jeder zu, wie er zu etwas kam: die vietnamesischen Beamten ließen sich an den Fron-Tagen von den Reisbauern Häuser bauen, die Grundbesitzer
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