Auf dem Schlachtfeld der Liebe
verschwiegen, damit er in der Navy dienen durfte. Er war höchstens sechzehn.
Vorsichtig riß Jerome das Hosenbein des Soldaten auf und untersuchte die Wunde. Der Knochen war unversehrt. Aber in den Oberschenkelmuskeln steckte der Splitter eines Schrapnells.
Jerome sah sich wieder um. Vorerst war David beschäftigt, und der Doktor von der Montmarte versuchte immer noch, das Leben des Mannes mit der blutenden Bauchwunde zu retten. Zögernd wandte sich der Captain an den jungen Seemann. »Können Sie eine Minute lang durchhalten, ohne zu schreien?«
»Sir - was ...«
»Ich habe zwar nicht Medizin studiert, aber den Army-Ärzten schon oft assistiert. Vertrauen Sie mir. Ich hole den Splitter heraus. Danach muß die Wunde täglich mit frischem Salzwasser gereinigt werden. Verstanden?«
Der Junge nickte nervös, und Jerome zog ein kleines Messer aus der Scheide an seinem Gürtel. Beim Anblick der Klinge stockte der Atem des Yankees. Doch dann bot er seinen ganzen Mut auf. »Bitte, Sir, tun Sie's.«
»Also gut. Beißen Sie die Zähne ganz fest zusammen.«
Doch das war gar nicht nötig, denn der Junge verlor die Besinnung, sobald das Messer in sein Fleisch schnitt. Die Wunde blutete heftig, und der warme Strom erleichterte Jeromes Aufgabe, den Splitter herauszuholen. Hastig preßte er seine rechte Hand auf den Schnitt und stoppte die Blutung, während er mit der linken sein Hemd zerriß, um einen Fetzen als Bandage zu benutzen.
»Kann ich Ihnen helfen, Captain McKenzie?«
Jerome wandte sich zu dem Mann, der ihn angesprochen hatte, einem Offizier von der Montmarte.
»Bringen Sie mir bitte einen Eimer Salzwasser.«
»Aye, aye, Sir!«
Erleichtert stellte Jerome fest, daß die Blutung zum Stillstand gekommen war. Der Offizier brachte ihm das Wasser und erhielt den Auftrag, einen Wickel mit Seetang zu tränken. Vorsichtig und gründlich reinigte Jerome die Wunde.
Dann legte er dem immer noch bewußtlosen Yankee einen Verband mitsamt dem Seetang-Umschlag an, von dem hilfsbereiten Offizier unterstützt. Nachdem sie ihr
Bestes für den jungen Soldaten getan hatten, kümmerten sie sich um andere Verletzte.
Später beobachtete Jerome, einen Becher Rum in der Hand, wie David Stewart eine lange, gezackte Wunde am Arm eines Unionssoldaten nähte. »Ja, ja, ich weiß.« Der Doktor warf ihm einen kurzen Blick zu. »Deine tapfere kleine Yankee-Gefangene kann's viel besser. Schade, daß sie nicht hier ist...«
Gewiß, sehr schade. Jerome nippte an seinem Rum und fragte sich, warum ihn die Trennung von Miss Magee dermaßen irritierte. War er von dieser Frau besessen? Als er die Augen schloß, sah er den Glanz ihrer kastanienroten Haare, das ebenmäßige Gesicht, den Porzellanteint, die wohlgeformte Figur, die anmutigen Gesten ...
»Sobald du fertig bist, kehren wir auf unser Schiff zurück«, teilte er David mit und ging davon.
Zum Teufel mit Risa Magee! Je schneller er sie ins Yankee-Gebiet zurückbrachte, desto besser.
7
Langsam schleppte sich der erste Tag dahin, der zweite schien kein Ende zu nehmen, der dritte ein Jahr zu dauern, der vierte ein Jahrzehnt. Von dem bärenstarken Big Tim bewacht, stand Risa Höllenqualen aus. Wann immer sie die Tür öffnete, war er zur Stelle, und an seiner breiten Gestalt führte kein Weg vorbei. Jeremiah brachte ihr Bücher und Modezeitschriften, servierte ihr schmackhafte Mahlzeiten, bereitete täglich ein Bad für sie vor und spielte mit ihr Karten. Doch er konnte sie nicht aufmuntern. Stundenlang wanderte sie rastlos im Zimmer umher, und abends trank sie sehr viel Wein, um möglichst bald zu ermüden. Sie hoffte, während sie schlief, würde die Zeit schneller vergehen.
Am fünften Tag änderte sich die Situation. Jeremiah kam mit Hamlin Douglas in ihr Zimmer, den sie seit ihrer Ankunft im Royal Inn nicht mehr gesehen hatte. Nun fragte sie sich, warum er nicht an Bord der Lady Varina war. »Miss Magee, soeben erhielt ich den Auftrag, die Schaluppe Katie B. zur Bone Isle zu bringen«, erklärte er.
»Und was hat das mit mir zu tun, Mr. Douglas? Ich habe noch nie von der Bone Isle gehört.«
»Das ist eine kleine Insel, südlich von der Biscayne Bay. Dort erwarten wir die Lady Varina. Vermutlich wird Captain McKenzie Sie von der Bone Isle nach St. Augustine bringen lassen.«
»Oh ... Warum begleiten Sie mich nicht zuerst nach St. Augustine und treffen Ihren Captain danach?«
»Er wird alle nötigen Maßnahmen ergreifen.«
»Nun war ich lange genug in seiner Gefangenschaft.
Weitere Kostenlose Bücher