Auf dem Schlachtfeld der Liebe
Großmast der Invincible, die zweite traf - während die verwirrten Unionssoldaten planlos an Deck umherrannten - das Achterdeck.
Wenig später begann das feindliche Kriegsschiff zu sinken, noch bevor die Montmarte den Bug unter Feuer nahm. Jerome war sehr zufrieden.
Weder der Frachter noch der Schoner hatten Schaden genommen, und ein Nahkampf war vermieden worden. Die Besatzung der Invincible kapitulierte und wurde mitsamt ihren intakten Geschützen und Vorräten an Bord der Montmarte gebracht.
Unterdessen sank das große Kriegsschiff langsam. Sein Tod dauerte mehrere Stunden, als versuchte es, bis zuletzt zu kämpfen. Jerome stand neben Captain Menkin an der Reling des Frachters und beobachtete das Spektakel, von echtem Bedauern erfüllt. Die Invincible war ein schönes Schiff gewesen.
»Gute Arbeit«, meinte der etwa sechzigjährige Menkin.
»Kann man so etwas gut nennen?« Die Schlacht hatte nicht lange gedauert, die Nachwirkungen zogen sich bis zum Spätnachmittag hin.
Allmählich begann die Sonne zu sinken. Gleißend spiegelte sich ihr Licht in den Wellen - ein prachtvolles Schauspiel. Aber Jerome hörte das Stöhnen der verwundeten Unionssoldaten, die auf den Decksplanken der Montmarte lagen und warteten, bis sie von den Rebellenärzten behandelt wurden. Einer der beiden Yankees, die das Gefecht nicht überlebt hatten, war der Schiffsarzt der Invincible gewesen. Gleich bei der ersten feindlichen Salve hatte ihm die herabstürzende Marsrah den Schädel gespalten.
»Natürlich war's gute Arbeit, McKenzie«, betonte Menkin ein wenig vorwurfsvoll. »Die Yankees wollten mein Schiff kapern. Statt dessen haben wir sie geschnappt. Jeder unserer Siege bringt uns dem Kriegsende etwas näher. Je mehr feindliche Schiffe wir erbeuten oder vernichten, je mehr Unionssoldaten fallen, desto eindringlicher wird die Bevölkerung unseres nördlichen Nachbarn ihre Regierung beschwören, uns als souveränen Staatenbund anzuerkennen. Wir können weder das erforderliche Material beschaffen, noch genug Soldaten aufbieten, um den Krieg zu gewinnen. Also sollten wir den Durchschnittsbürger im Norden unter Druck setzen, wenn wir das Blutvergießen beenden wollen.«
Jerome mußte ihm recht geben. Aber Menkin war kein Schiffbauer, und so ging ihm die Zerstörung der schönen Invincible nicht nahe. Er selbst konnte sich nicht über den Sieg freuen. Statt dessen verspürte er einen dumpfen Schmerz in der Brust. »Entschuldigen Sie mich jetzt, Captain, ich möchte den Ärzten helfen.«
»Ach ja, Ihr Bruder ist ein Doktor und praktiziert in South Carolina, nicht wahr?«
»Meine Mutter hat eine Plantage geerbt, außerhalb von Charleston. Aber mein Bruder dient jetzt unter General Lee in Nord-Virginia.«
»Und Ihr Vetter ist auch Mediziner?«
»Ja. Zur Zeit arbeitet er in einem Lazarett am St. Johns.«
Menkin starrte aufs Meer. »Mit Ian McKenzie sind Sie ebenfalls verwandt«, bemerkte er angewidert.
»Gewiß, ein weiterer Vetter.«
»Und ein Verräter.«
»Viele Südstaatler haben sich auf die Seite des Nordens geschlagen. Vor allem die Männer, die schon länger beim Militär sind.«
»Aber er stammt aus Florida«, erwiderte Menkin verächtlich, »und bei Gott, er dürfte nicht gegen seine Heimat kämpfen. Das wird er noch bereuen.«
»Was die Wahrheit betrifft, kommt es oft auf die Betrachtungsweise an, Sir. Der Präsident der Union und unser Jefferson Davis wurden beide in Kentucky geboren. Jeden Tag muß Lincoln neue Qualen erleiden, weil seine Frau mit Südstaatlern verwandt ist. Und Jeff Davis trauert um alte Freunde, die den Kugeln des Südens zum Opfer fallen.«
»Und wenn Sie Ihrem Vetter in einer Schlacht begegnen?«
»Hoffentlich wird das nie geschehen. Entschuldigen Sie mich jetzt.«
Menkin sagte nichts mehr. Hoch aufgerichtet stand er an der Reling, eine unnachgiebige Silhouette in der Abendsonne - ein tüchtiger, scharfsinniger Mann, der kein Herz besaß.
Plötzlich wünschte Jerome, auch er wäre so felsenfest von der Sache überzeugt, für die er kämpfte. Aber er glaubte, weder die Nord- noch die Südstaaten hatten das Recht auf ihrer Seite.
Er ging über das Deck und hielt nach David Stewart Ausschau. Sobald die Verletzten versorgt waren, würde der Arzt mit Jerome und der Entermannschaft auf die Lady Varina zurückkehren. Sie würden der Montmarte bis in die Nähe des Charleston-Hafens folgen, um ihr beizustehen, falls ihr ein weiteres Unionsschiff in die Quere kam. Deshalb konnte Jerome erst in einer
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