Auf dem Schlachtfeld der Liebe
erzählten.
Während der ersten Wochen schlief Jerome nur selten. Die scharrenden Geräusche der Ratten trieben ihn fast zum Wahnsinn. Immer wieder mußte er die Biester in ihre Mauerlöcher scheuchen. Ein besonders hartnäckiges Rattenmännchen ließ sich nicht einmal vertreiben, als Jerome einen Stiefel nach ihm warf. Eines Nachts kroch es sogar auf seine Brust. Schließlich nannte er das Tier Beauregard und fütterte es - um die Langeweile zu ertragen, um einen klaren Kopf zu behalten.
Die Tage gingen in Wochen über. Manchmal drangen Neuigkeiten von den Truppenbewegungen ins Gefängnis.
Jerome inspizierte die Mauern, die vergitterten Fenster, den Hof, in dem er sich täglich mit seinen Mithäftlingen die Beine vertrat. Verzweifelt suchte er einen Fluchtweg.
Tandy Larson, einer der sadistischen Wärter, besaß nicht die Erlaubnis, die Gefangenen zu züchtigen. Trotzdem schlug er sie mit dem Lauf seines Gewehrs, wenn sie sich nicht schnell genug bewegten oder an der falschen Seite des Hofs entlangwanderten. Vor allem Jerome verfolgte er mit seinem Haß, seit der Captain ihn eines Tages am Kragen gepackt und seine Waffe zerbrochen hatte, um Lieutenant Anthony Hawkins aus Mississippi eine Prügelstrafe zu ersparen. Von allen Seiten stürmten Wärter herbei. Aber Jerome hatte nichts Schlimmeres verbrochen, als Larson von Hawkins wegzuzerren und das Gewehr zu demolieren. Er war kein Narr, und er würde sich nicht erschießen lassen, sondern einen Weg in die Freiheit finden.
Von diesem Tag an machte Larson ihm das Leben schwer. Eines Abends kehrte er nach dem Hofgang in seine Zelle zurück und sah Beauregard auf der Strohmatte liegen, eine Hutnadel im kleinen Rattenherz. Natürlich war es albern, während eines Kriegs, der so viele Menschenleben kostete, um eine Ratte zu trauern. Aber verdammt, er hatte das kleine Biest gemocht, das couragierter gewesen war als so mancher Soldat. So sehr er sich auch ärgerte, er bewahrte Stillschweigen über den Vorfall.
Etwa einen Monat nach seiner Ankunft im Old Capitol, saß er gerade mit den anderen Gefangenen im Speiseraum am Tisch, als Larson hereinschlenderte und spöttisch rief: »Haben Sie von Mrs. McKenzie gehört, Captain? Vielleicht sind Sie im Süden ein großer Held. Aber Ihre Lady versteht's viel besser zu kämpfen als Sie. Erst hetzt sie Ihnen die Yankees auf den Hals, dann schnappt sie sich auch noch Ihr Schiff.« Lachend wandte er sich ab.
Blitzschnell sprang Jerome auf, warf ihn zu Boden, entriß ihm die Waffe und drückte ein Knie auf seine Kehle. »Wenn Sie schon unbedingt reden müssen - sagen Sie alles, was Sie wissen.«
Larson würgte und röchelte, und Jerome ließ ihn Luft holen.
»Gleich kommen die anderen Wärter, McKenzie«, mahnte Hawkins.
»Reden Sie, Larson!« befahl Jerome.
»Ihr Schiff wurde gekapert«, stieß Larson hervor, hochrot im Gesicht. »Mit Ihrer Frau an Bord. Vor der Florida-Küste.«
»Wo ist meine Frau jetzt?«
»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich wurde sie von Yankee-Offizieren belobigt, weil sie geholfen hatte, den Schoner zu erobern.«
»Wo ist das Schiff? Und was geschah mit meiner Besatzung?«
»Ein paar Leute hat man freigelassen - und die anderen ins Elmira-Gefängnis gebracht. Jetzt wird das Schiff repariert. Keine Ahnung, wo.«
»Captain ...«, warnte Hawkins. Zu spät. Ein halbes Dutzend Wärter stürmte herein. In diesem Fall mußten sogar die Männer einschreiten, die Jerome mochten. Ein Gewehrkolben landete auf seinem Kopf, er sah Sterne -und dann nichts mehr.
Später erwachte er in seiner Zelle. Die nächste Woche verbrachte er wieder in Einzelhaft. Sein Kopf schmerzte tagelang. Und die Qual schürte seinen Zorn. Er malte sich aus, Risa wäre an den Großmast gefesselt und er würde die neunschwänzige Katze schwingen. Aber bei dieser Vision fühlte er sich noch elender. Nein, am liebsten würde er sie schütteln, bis ihre Zähne klapperten, und sie dann in einen dunklen Turm sperren, wo sie keinen Schaden mehr anrichten konnte.
Wie war es ihr gelungen, ihn so niederträchtig zu verraten, an Bord seines Schiffs zu gehen und die Yankee-Behörden über das Ziel der Lady Varina zu informieren? Seine Besatzung verehrte und bewunderte sie. Und jetzt schmachtete die Hälfte der Männer im Elmira-Gefängnis, das wegen seiner zahlreichen Krankheits- und Todesfälle berüchtigt war.
Kurz vor Weihnachten erhielt er Briefe von seiner Familie. Sydney bemühte sich, ihn gegen ihren Yankee-Colonel auszutauschen, der
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