Auf dem Schlachtfeld der Liebe
wegbringen?«
»Ja«, gab er widerstrebend zu.
»Fahren sie nach Süden? Bitte, Julian, du kannst mir wirklich vertrauen.«
»Also gut.« Er stand auf. »Wenn ich eine Möglichkeit finde, dir zu helfen, verständige ich dich.«
»Vielen Dank.« Sie küßte seine Wange, dann verabschiedete er sich.
In banger Sorge wartete sie die nächsten Tage ab. Ihr Vater bestritt nach wie vor zu wissen, wie die Yankees ihren Mann in St. Augustine aufgespürt hatten. Voller Mitgefühl kamen Finn und Austin in Risas Haus, doch sie konnten ihr auch nichts erzählen.
»Hätten Sie ihn bloß nicht geheiratet - und dann hierhergelockt!« klagte Finn.
»Ich habe ihn nicht hierhergelockt!« zischte sie. »Wären Sie mein Freund, würden Sie herausfinden, was wirklich geschehen ist.«
»Und hätten Sie mich damals erhört, statt einem Reb auf sein Schiff zu folgen, wären Sie jetzt die Ehefrau eines Mannes, der Sie erdrosseln will«, konterte er.
»O Finn ...«, stöhnte sie und verdrehte die Augen. Aber wie schon so oft, gelang es ihm, sie ein wenig aufzuheitern. Sie wußte, er würde stets für sie dasein.
Eine Woche später trat ihr Vater, der immer noch hinkte, die Heimfahrt an und drängte Risa, sie müsse ihm bald nach Washington folgen. Das versprach sie ihm, nannte aber kein Datum. Drei Tage nach seiner Abreise klopfte ein junger Bote in einem langen Mantel an ihre Tür und teilte ihr mit, die Lady Varina würde nächsten Abend Kurs auf die Biscayne Bay nehmen. Sie dankte ihm und sah ihn in der Finsternis verschwinden. Schaudernd spähte sie nach allen Seiten und fragte sich, ob die Nacht Augen hatte. Aber es rührte sich nichts und niemand ließ sich blicken.
Während der kalten Jahreszeit wurde nur sporadisch gekämpft. Die Union und die Konföderation bereiteten ihre Frühlingsoffensiven vor. Im Westen richtete ein General namens Grant, der im Gegensatz zu anderen Nordstaatlern mehrere Siege errungen hatte, sein Augenmerk auf Vicksburg, Mississippi. Im Osten begann die United States Army, vom Potomac in die Richtung von Fredericksburg vorzurücken, einer florierenden Stadt zwischen Washington und Richmond.
Jerome war ins Old-Capitol-Gefängnis gebracht worden, das im Zentrum von Washington, D.C., lag. Nicht einmal die Einzelhaft quälte ihn so schmerzlich wie die Erkenntnis seiner eigenen Dummheit. Der Zorn gegen Risa ließ nicht nach und drohte seine Seele zu zerfressen.
Wenigstens mußte er vorerst nicht um seine Sicherheit bangen. Mochte das Old Capitol auch ein heruntergekommenes Gemäuer voller Ratten sein - inmitten der Unionshauptstadt würden die guten christlichen Bürger nicht gestatten, daß Kriegsgefangene, die teilweise zu ihren Freunden und Verwandten zählten, grausam behandelt wurden. Bald sprach sich die Festnahme des berühmten Rebellen herum. Die Yankees legten offenbar keinen Wert mehr darauf, seine Gefangenschaft noch länger geheimzuhalten.
In seiner kleinen Zelle standen ein Feldbett mit einer Strohmatte und ein wackeliger alter Waschtisch. Rastlos wanderte er umher. Nach einiger Zeit durfte er täglich ein paar Stunden in einem Gemeinschaftsraum mit seinen Mithäftlingen verbringen und mußte auch nicht mehr allein essen. Dafür war er dankbar. Die Verpflegung entsprach dem üblichen Standard der Gefängnisse. Aber viele Rebs behaupteten, die Mahlzeiten würden wesentlich besser schmecken als der Proviant bei ihren Feldzügen. Wie Jerome wußte, gab es im Norden des Staates New York schlimmere Gefängnisse, wo angeblich ein Viertel der Insassen regelmäßig starb.
Alle Mitgefangenen respektierten Jerome. Zu seiner Verblüffung stellte er fest, daß ihn nicht einmal die Yankees haßten.
Eines Abends brachte ihm die Frau eines Wärters einen köstlich duftenden Eintopf und erklärte, sie wolle sich revanchieren, weil er den Besatzungen seiner gekaperten Schiffe stets freundlich begegnet sei. Zu Beginn des Krieges habe er ihren Bruder an einem Strand der Bahamas ausgesetzt. Wenig später sei der Mann von einem Unionsschiff aufgelesen worden. Ihre Dankbarkeit überraschte Jerome, denn er hatte nie geglaubt, der Krieg würde die Offiziere zu Mord- und Greueltaten berechtigen.
Die meisten Wärter verhielten sich korrekt, hatten den Krieg gründlich satt und wünschten, der Norden würde die Konföderation endlich anerkennen. Aber es gab auch einige Sadisten, die scheinbar unabsichtlich das Essen der Gefangenen verschütteten oder Lügengeschichten über Todesfälle in den Familien der Rebs
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