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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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überseeischen Besitzungen, die Sonne nicht unterging.
    Aber weder
der kleine Karl noch seine zahlreichen Geschwister machten die so stürmisch
begonnene Ehe seiner Eltern glücklich. Sein Vater war so schön, dass ihm wohl
kein anderes Metier als das des Schürzenjägers blieb. Kein Rock war vor ihm
sicher und er vor keinem Rock. Sogar dem französischen König Ludwig XII.
entfuhr, als er im Jahre 1501 Philipp zu Gesicht bekam, spontan der Satz:
„Voilà, un beau prince“ — schaut mal an, ein hübscher Prinz.
    Philipps
Jagdrevier aber waren nicht nur die Paläste des Adels. Wenn man dem Historiker
Pfandl glauben kann, war Philipp nicht zimperlich, denn „er ließ sich von
leichtfertigen Freunden nicht ungern zum Besuch verborgener Stätten des Lasters
verleiten.“ Das allerdings machte seine Johanna offensichtlich wahnsinnig: Sie
tobte und kreischte, verprügelte verdächtige Hofdamen, trat in den
Hungerstreik, weigerte sich, an Regierungsgeschäften teilzunehmen, verfiel in
Apathie. Die Zeichen des Wahnsinns traten immer deutlicher hervor. Aber da, im
Jahre 1506, bekam der schöne Philipp plötzlich Fieber und einen schwarzen
Hautausschlag und starb innerhalb von wenigen Tagen. Johanna wurde wunderlich.
Angeblich alle paar Tage ließ sie Philipps Sarg öffnen und schaute nach, ob
noch alles in Ordnung war. Als sie einer Seuche wegen nachts die Stadt
verlassen musste, nahm sie den Sarg einfach mit. Bewaffnete Fackelträger und
Mönche mussten ihn bewachen. Frauen wurden verscheucht, wenn sie in die Nähe
des Sarges kamen, und um Nonnenklöster musste ein großer Bogen gefahren werden.
49 Jahre, lange Jahre, lebte sie noch. Aber während ihr Sohn Karl als Kaiser
Karl V. das habsburgische Weltreich regierte, dämmerte sie in einer alten,
tristen Festung zu Tordesillas dahin, ein tragisches Schicksal, vom Wahnsinn
gezeichnet.
    Die gleiche
medizinische Diagnose muss man auch bei ihrem Urenkel Don Carlos stellen. In
Deutschland zwar zum Bühnenhelden avanciert, war er in Wirklichkeit nur ein
schwachsinniger und sadistischer Sonderling, der zum Beispiel Kaninchen bei
lebendigem Leib röstete. Eingeklemmt also zwischen seiner wahnsinnigen
Großmutter und seinem schwachsinnigen Sohn steht Philipp II. auf dem vordersten
Rang der damaligen Weltbühne. Angetreten als Erbe eines Riesenreichs wurde er allerdings
auch dessen Zerstörer. Dabei mag seine eigenartige Persönlichkeitsstruktur eine
entscheidende Ursache gewesen sein. Jedenfalls umgab er sich mit einer
düsteren, blutleeren und entmenschlichten Elofhaltung. Nur wenige durften sich
ihm überhaupt nähern und wenn doch, dann nur auf den Knien. Immer zur gleichen
Zeit ließ er sich immer das gleiche Essen servieren, stets trug er die gleichen
schwarzen Gewänder. In seinen älteren Jahren verließ er seine Räume nur noch,
um der Messe beizuwohnen. Niemandem vertraute er, und in seinem ganzen Leben
soll er nur einmal gelacht haben, nämlich als er die Nachricht von der „Pariser
Bluthochzeit“, der „Bartholomäus-Nacht“ vom 24. August 1572 erhalten hatte, wo
anlässlich der Hochzeit Heinrichs von Navarra mit der Schwester des
französischen Königs Karl IX. Tausende Hugenotten ermordet worden waren.
Heuchelei, Lüge, Folter, Inquisition, Ausplünderung, Vertreibung und Krieg
waren die Werkzeuge auch in seinem Instrumentenkasten. Bedenkenlos eingesetzt
wurden sie gegen die Aragonesen und Katalanen, gegen die Reste der Mauren, die
sog. Morisken, talentierte Untertanen, denen man im Jahre 1492, als ihre letzte
Festung Granada gefallen war, Toleranz zugesagt hatte. In den neuen Kolonien in
Amerika wurden die dortigen indianischen Hochkulturen gnadenlos zertrümmert und
anschließend das geraubte Gold zu nicht geringen Teilen in Barockaltäre
gesteckt. Am schlimmsten aber wütete Philipp II., mit seinem Feldherrn Alba an
der Spitze, gegen die Niederlande, die sich einer blutigen Unterdrückung
ausgesetzt sahen und deren Einwohner allesamt zu Ketzern erklärt wurden.
    Der Absturz
einer derart verbohrten Politik konnte nicht ausbleiben. Die Niederlande, an
sich ein Juwel in Philipps Krone, fielen von Spanien, der damals größten Militärmacht
Europas, ab. Aber auch über Spaniens Seemacht war im Jahr 1588 die
Götterdämmerung hereingebrochen. Bei dem Versuch, England anzugreifen, war
Spaniens „unbezwingbare Armada“ von den Engländern zunächst schwer angeschlagen
worden, bevor eine stürmische See den Rest besorgte. An der Spitze der
englischen Flotte stand

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