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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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Pilgerbewegung.
Die Kirche selbst heißt seit den Johannitern „Kruzifix-Kirche“, benannt nach
einem Kruzifixus, den Pilger aus Deutschland damals bis hierher getragen haben.
Dieses außergewöhnliche, beeindruckende Werk ist noch heute in der Kirche zu
besichtigen. Natürlich kann man als Pilger in Puente la Reina nicht die Calle
Mayor, die alte Pilgerstraße, zur historischen Brücke hinuntergehen, ohne die
Santiago-Kirche zu betreten. Das wäre so, als würde man achtlos am Haus eines
alten Freundes, den man lange nicht gesehen hat, einfach Vorbeigehen. In dieser
Kirche steht nämlich „er“, der über zwei Meter hohe, um das Jahr 1350 aus Holz
geschnitzte, gotische Santiago-„Beltza“, Santiago der „Schwarze“. Zu seinem
langen Gewand, seinem kräftigen Pilgerstab und den Muscheln am Pilgerhut trägt
er einen üppigen, vollen Bart, und sein Gesicht spiegelt die Anstrengungen
eines Pilgerlebens wider, aber auch die Kraft und ruhige Zuversicht, alle diese
Mühen zu bewältigen. Nimmt man sich ein bisschen Zeit und vertieft sich in
dieses Gesicht eines Mannes, der noch nichts von seiner Lebenskraft eingebüßt
hat, dann mag man ahnen, dass man vor einem zeitlosen Sinnbild des Jakobsweges
steht, dann fühlt man den kräftigen Pulsschlag dieser alten Pilgerstraße und
der Menschenströme, die seit etwa 1000 Jahren hier vorbeifließen. Aber alle,
die jemals auf dem Weg nach Compostela durch diesen Ort am Jakobsweg gekommen
sind, hat „Santiago der Schwarze“ nicht gesehen. Als er in dieser Kirche seinen
Platz fand, war die Pilgerbewegung an das Grab des Jakobus schon ein paar
hundert Jahre alt.
     
     

Die „Brücke
der Königin“ erzählt
     
    Wenn man auf
der steinernen Brücke „Puente la Reina“ steht und auf das Wasser des Flüßchens
Arga hinunterschaut, steht man an einem faszinierenden, ja fast mythischen Ort
des Jakobswegs und wird von vielen Gefühlen überwältigt. Schon seit tausend
Jahren strömen die Fluten des Arga durch die romanischen Steinbögen dieser
Brücke und seit dieser fast märchenhaft langen Zeit fließt hier, über diese
Brücke hinweg, auch noch ein anderer Strom, der Strom der Pilger nach
Compostela zum Grab des Apostels Jakobus. Und so verschmilzt der Pilger, so
lange er auf dieser Brücke steht, mit ihr zu einem Symbol, zu einem Sinnbild
der Beständigkeit. Aber schon gleich danach, wenn er weiterzieht, ist er wieder
Teil eines tausendjährigen Pilgerstroms und, dem fließenden Wasser des Arga
ähnlich, auch wieder ein Sinnbild für die Vergänglichkeit des Lebens. Wie viele
haben hier schon gestanden, haben hinuntergeschaut in die Fluten des Arga,
haben sich bedrängen lassen von solchen Bildern und sind dann weitergezogen?
Und warum haben sie es getan, warum tue ich es?
    Es sind
tiefe und alte Wurzeln, an denen die Idee der Pilgerschaft hängt, und ihre
Blüten haben durch die Jahrhunderte in vielen Farben geleuchtet, in strahlendem
Licht nach innen, aber auch in flackernden, grellen Irrlichtern.

    Im
Urchristentum knüpft die Idee der Pilgerschaft, zunächst begriffen als
Loslösung von allen heimatlichen und familiären Bindungen, unmittelbar bei
Christus an. Um seinetwillen „Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder
Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker verlassen... So wird das ganze Leben
als Pilgerschaft, als Nachfolge Christi verstanden. Diese Idee, die zum
Beispiel die irisch-schottischen Wandermönche in Anknüpfung an die frühen
Mönche des Orients übernommen hatten, hielt sich ungebrochen bis ins hohe
Mittelalter. In ihrer ursprünglichen, in ihrer ganz frühen Ausprägung, verband
sich diese Vorstellung allerdings noch nicht mit bestimmten geographischen
Orten und den Wegen dorthin. Aber bereits seit dem 4. Jahrhundert rückte auch
ein bestimmtes Ziel in die Vorstellungswelt: Palästina — die Orte, an denen
Jesus gelebt und gelehrt hatte, und vor allem Jerusalem, wo er gekreuzigt
worden war, wurden zum Ziel der Pilgerreise. Hier suchte man in der physischen
Nähe zu diesen Stätten das Heil für sich und seine Angehörigen. Vorbehalten
blieben solche Pilgerreisen allerdings nur einer kleinen Oberschicht aus Adel
und hoher Geistlichkeit.
    Vor allem
politische Ereignisse, wozu nicht zuletzt auch die Kreuzzüge, die brutale Art
ihrer Durchführung und ihre nicht dauerhaften Ergebnisse gehören, sperrten den
Weg nach Jerusalem immer wieder und für lange Zeiträume — nach dem Fall von
Akkon im Jahre 1291 schließlich ganz. Da war es nur

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