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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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Hochkultur, die sich in vielerlei Hinsicht
auch in die kulturellen Strukturen des sich gerade formierenden christlichen
Abendlandes einweben sollte. Der Jakobsweg verlief genau an der so bedeutsamen
Nahtfläche dieser beiden sehr unterschiedlichen Kulturen.
    Ein anderes
Ziel erreichten die Mauren allerdings nicht: Die endgültige Unterwerfung der
kleinen christlichen Königreiche im Norden Spaniens, durch die der Jakobsweg
führt, auf dem ich gerade wandere, blieb ihnen versagt. Hieran änderte auch
nichts die Tatsache, dass der gefürchtete muslimische Heerführer Al Manzur um
die Jahrtausendwende im christlich gebliebenen Norden Spaniens wütete und schon
im Jahre 997 auch in das von allen seinen Bewohnern verlassene Compostela
einmarschierte und die Stadt völlig zerstörte. Nach einer arabischen
Geschichtsquelle traf er dort nur noch einen einzigen Menschen an, einen alten
Einsiedler, der gebeugt am Grab des Heiligen Jakobus saß. Und auf die Frage Al
Manzurs, warum er noch hier sei, soll er die Antwort gegeben haben: „Um Jakobus
Gesellschaft zu leisten.“ Daraufhin soll Al Manzur seine Leute angewiesen
haben, das Grab und den Alten in Ruhe und Frieden zu lassen.
    Zu dieser Zeit
hatte Cordoba schon etwa eine Million Einwohner. Diese konnten ihre Bedürfnisse
in über dreihundert Moscheen, in einer hochangesehenen Universität mit einer
berühmten Bibliothek, in achtzig öffentlichen Schulen, in dreihundert
öffentlichen Bädern, in zahlreichen Krankenhäusern und in unzähligen Läden und
Werkstätten befriedigen und nachts über gepflasterte Straßen gehen, die durch
Leuchtflammen erhellt waren.
    Wo Karl der
Große und seine Erben noch mit ihren ungehobelten germanischen Rauhbeinen, kaum
hatten diese am Ende des Winters ihre verräucherten Hütten mit Pferd und
Schwert verlassen, durch die unwegsamen Lande ritten, gewohnt, zusammen mit den
Pferden auf nasser Erde zu nächtigen, traten hier, in „Al-Andalus“, wie die
Mauren das Land nannten, schon die Anfänge einer verfeinerten Kultur in
Erscheinung: Bald schon kannte man hier eine faszinierende Architektur,
blühende Gärten und duftende Bäder, den Gesang zur Laute genauso wie den
Handkuss, modische Kleidung und festliches Tafelgeschirr, feinziselierten
Schmuck und glasierte Kacheln, Seiden- und Tuchweberei, die kunstvolle
Verarbeitung und Verzierung von Leder und Metall. Arabische Ärzte verfügten
über sensible chirurgische Instrumente, kannten bereits die Narkose und
erfanden die Brille. Erste Apotheken öffneten ihre Pforten. Es gab Gelehrte von
universeller Bildung, für die die Pflege aller damaligen Erkenntnisse in
Philosophie und Theologie, Astronomie und Mathematik, Medizin und Jurisprudenz
selbstverständliche Kunst war. Und man übte Toleranz gegenüber dem Geist und
der Seele der Antike, sei es die Philosophie des Aristoteles oder seien es
Poeten, die den Wein und die Liebe besungen hatten. Toleranz auch gegenüber den
Angehörigen anderer Religionen, den Juden und den Christen.
    Doch da
zerstörten plündernde Berber im Jahre 1010 Medina az-Zahra, die Märchenstadt
aus Tausendundeinernacht. Als Residenz für den großen Kalifen Abd ar-Rahman III. errichtet
und nur wenige Kilometer westlich von Cordoba gelegen, wurde dieses Juwel nur
74 Jahre alt - ein Menetekel dafür, dass die Blütezeit der Omayaden-Dynastie
überschritten, ihre Uhr abgelaufen war. Schon etwa zwanzig Jahre später zerfiel
ihr stolzes Kalifat in viele kleine Fürstentümer und weitere elf Jahre später
musste Maimonides, damals noch ein dreizehn Jahre alter Knabe und später die
größte jüdische Autorität des Mittelalters auf dem Gebiet jüdischer Religion
und Philosophie, mit seinen strenggläubigen Eltern Cordoba verlassen. Auch für
viele andere war der Traum von der Toleranz ausgeträumt.
    Eine neue,
eine andere Zeit hatte für die Muslime in Spanien begonnen. Die alten
Strukturen kamen in Bewegung und zerbrachen, zersetzt vom Gift interner
Uneinigkeit und unter den Hammerschlägen der Reconquista. Obwohl es auch im
christlichen Lager immer wieder Zwist bis hin zu blutigen Fehden gab, wurden
1037 Kastilien und Asturien-León unter einer Krone verschmolzen. Auch wenn
dieses Königreich später wieder vorrübergehend auseinanderbrach, gelang es dem
kastilischen König Alfons VIII. 1212 gemeinsam mit den Königen von Navarra und
Aragon ein großes maurisches Heer bei Navas de Tolosa völlig aufzureiben und
die Mauren endgültig in die Defensive zu

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