Auf dem spanischen Jakobsweg
am
Jakobsweg und weit darüber hinaus so bekannte und geachtete Don José Maria
Alonso, der so einfach, so bescheiden und so menschlich den Geist des San Juan
de Ortega bis in unsere Tage hineinzutragen versteht. Wäre es vielleicht dieser
Geist, der auch in unserer Zeit die Kirchen wieder füllen könnte?
Es passt
sehr gut dazu, dass Don José ein bisschen auch ein Schlitzohr ist. Nach der
Abendmesse zeigt und erklärt er uns seine Kirche. Am Ende fragt er plötzlich
mit besonders sanfter Stimme, wer denn die beiden jüngsten Pilgerinnen in der
Runde seien. Es klingt ganz so, als wollte er auf der Stelle diesen beiden
einen Jakobus-Orden verleihen. Und da schauen sich die jüngeren Frauen an, und
schnell sind die beiden jüngsten ermittelt. Aber dann erklärt er mit lustigen
Augen, dass diese beiden jetzt mit ihm gemeinsam die Pilgersuppe kochen
müssten, zu der er uns dann alle einlade. Und natürlich sind die beiden
jüngsten Pilgerinnen glücklich, dass jetzt sie gemeinsam mit dem großen Don
José Maria Alonso Suppe kochen dürfen.
Beim
späteren gemeinsamen Abendessen spricht er das Tischgebet, alle reichen sich
die Hände, und danach gibt es nicht nur Gemüsesuppe, nein, alles, was die
Pilger sonst noch zum Essen mitgebracht haben, gehört jetzt allen gemeinsam.
Begegnung und
Abschied
Don José
steht seit sechs Uhr morgens schon wieder in seiner Küche. Er hat selbst Kaffee
für die Pilger gekocht und schenkt auch mir eine große Tasse Milchkaffee ein.
Später gibt er mir die Hand und wünscht guten Weg, „buen camino“. Ich gehe
hinaus. Es ist jetzt sieben Uhr morgens und noch stockdunkel. Es hatte heute
Nacht einen Sturmregen gegeben, und der Wind hatte heftig an den alten Fenstern
gerüttelt. Zwar regnet es jetzt nicht mehr, aber ich spüre, dass die heute so
lang anhaltende Dunkelheit von großen schwarzen Wolken verursacht wird, die
ganz tief hängen und sehr schnell über mich hinwegziehen. Schon nach ein paar
hundert Metern muss ich das schmale Sträßchen verlassen und auf einen Pfad
überwechseln, der in einen dichten Wald hineinführt. Meine kleine Taschenlampe
gibt nicht den geringsten Lichtstrahl von sich. Ich muss irgendwann aus
Versehen auf den entscheidenden Knopf gekommen sein, und so hat sie wohl so
lange in meinem Rucksack geleuchtet, bis die Batterie leer war. Nur schlurfend
taste ich mich vorwärts, immer in der Angst, umzuknicken und dann die Heimreise
antreten zu müssen. Wann wird es endlich Tag werden?
Heinz war
kurz vor mir aufgebrochen, und ich frage mich, wo er jetzt steckt. Nach etwa
einer halben Stunde wird wenigstens der Wald ein bisschen lichter. Wenig später
komme ich auf Weideland. Ein paar Kühe, das kann ich jetzt doch schon erkennen,
glotzen mich verwundert an. Es beginnt wieder zu regnen. Deshalb packe ich
meine große dunkle Regenhaut aus und versuche, sie mir überzustreifen. Sie ist
so konstruiert, dass sie auch über meinen Rucksack reicht. Das ist zwar
vernünftig, erschwert aber jetzt, da ich allein bin, das Manöver. Ich bringe
das verdammte Ding mit den vielen Reißverschlüssen und Knöpfen und Öffnungen
nicht über den Rucksack, an dem ja auch noch meine Iso-Matte hängt. Nach
einigen vergeblichen Versuchen gebe ich auf und wandere weiter, der Regen fällt
ohnehin nicht allzu stark und wenn es nicht zu dick kommt, läuft man sich beim
Wandern wieder trocken. Am Ende der Ortschaft Atapuerca muss man nach links
abbiegen, wenn man über die mehr als tausend Meter hoch gelegenen
Atapuerca-Berge nach Burgos wandern will. Leider wird der Regen jetzt stärker.
Ich sehe mich angestrengt nach einem Menschen um, der mir mit meiner Regenhaut
behilflich sein könnte. Aber entweder ist das kleine Dorf völlig ausgestorben,
oder es liegt noch im kollektiven Tiefschlaf. Kurz nach dem Dorf stelle ich
mich unter einen Baum. Irgendwann muss ja ein Pilger vorbeikommen, der mir
helfen kann.
Als erstes,
es ist endlich Tag geworden, erkenne ich die beiden hageren Männer aus
Österreich, denen wir zum ersten Mal in der Kirche Santa Maria in Belorado
begegnet waren und von denen wir seitdem den älteren „Peregrin“ nennen. Aus der
heute von mir erhofften Hilfe wird allerdings nichts. Als erfahrene Männer aus
den Bergen, möglicherweise auch auf Grund einer Eingebung des Heiligen
Peregrinus, finden die beiden eine Abkürzung und ziehen weit von mir entfernt
bergauf. Herumschreien will ich auch nicht.
Aber schon
kurze Zeit später kommt eine junge Pilgerin auf
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