Auf dem spanischen Jakobsweg
aus dem Wald herausführt. Man hatte den Eindruck, dass er von dort etwas
ganz Besonderes erwartete.
Und da kamen
sie ja auch schon aus dem Wald herausgelaufen, an die vierzig Damen und Herren
ohne Gepäck, aber mächtig schnaufend und ziemlich erschöpft. Gleich der erste
ging, als er uns als Landsleute erkannt hatte, an unseren Tisch und erklärte
voller Stolz, dass sie Pilger aus dem Sauerland seien und heute schon sieben
Kilometer gepilgert wären. Was er darüber hinaus noch dachte, verriet der Unterton
seiner Stimme, auch wenn er es nicht aussprach: Und ihr Autotouristen sitzt
hier in der Sonne herum und trinkt Bier.
Im selben
Augenblick — zwischenzeitlich war ein Reisebus vorgefahren — war auch schon die
Hölle los. Dem unbekannten „Pilger“, der so plötzlich aufgetaucht war, war es
gelungen, die Aufmerksamkeit der Damen und Herren aus dem Sauerland auf sich zu
lenken. „Ein echter Jakobspilger, ein echter Jakobspilger“, riefen sie
begeistert. Die Freude war riesengroß, die weite Busreise hatte sich schon hier
gelohnt. Sie mussten von ihm Fotos machen, ihn berühren, sich mit allen —
natürlich Arm in Arm — fotografieren lassen. Gruppenaufnahme, Einzelaufnahmen,
alles ließ der fromme Mann mit sich machen. Endlich ein echter Jakobspilger. Am
liebsten hätten sie ihn gleich im Bus bis Santiago mitgenommen, mit Keksen
gefüttert, geherzt und liebkost. Und er stieg doch tatsächlich zu ihnen in den
Bus, und wir dachten schon, jetzt haben sie ihn überredet, jetzt fährt er mit
ihnen nach Santiago. Aber nein, er wollte Geld, er war ja ein echter Pilger und
damit auch ein armer Pilger.
Etwas
später, der Bus mit den verzückten „Pilgern“ war schon weggefahren, machte auch
er sich aus dem Staub, mit einem Pkw und einer Frau neben ihm auf dem
Beifahrersitz.
Und jetzt
eben, da ich noch in diesem Straßencafé vor der Kathdrale in Burgos sitze,
kommt dieser ältere Herr zu mir an den Tisch und schimpft. Wir haben uns gleich
wieder erkannt. Gestern, noch in San Juan de Ortega, war er auch zu uns an den
Tisch gekommen. Da war er noch sehr stolz und hatte geprahlt: Sieben Kilometer
waren sie an diesem Tag gepilgert! Aber heute scheint seine gute Laune ganz
verflogen zu sein. Das gestern sei nämlich gar kein Pilger gewesen, der treibe
da hinten — dabei macht er eine Handbewegung, die an das andere Ende der
Kathedrale zeigt — schon wieder sein Spielchen mit einer Reisegruppe. Aber den
hätten sie jetzt durchschaut.
Ich nehme
meine Tasse in die Hand, trinke einen Schluck Kaffee, stelle sie wieder hin und
lache: „Das war uns gleich klar“.
Ziemlich
betrübt geht er weiter. Ich aber frage mich, was die jetzt wohl mit den vielen
Fotos machen werden. Als Hausikone dürften sie ja nun allesamt wertlos sein.
Rheinländer
in Burgos
Ich sitze
schon über eine Stunde im Straßencafé vor der Kathedrale in Burgos und
beobachte die Menschen, die hier Vorbeigehen. Der ganze Platz ist faszinierend,
vor allem natürlich die Fassade der mächtigen gotischen Kathedrale, die man von
hier aus besonders intensiv auf sich einwirken lassen kann. Kein Wunder
übrigens, dass dieser Dom, einer der schönsten der abendländischen
Christenheit, so stark an Kirchen weiter nördlich von hier erinnert. Denn zu
Beginn des 13. Jahrhunderts war Don Mauricio, der Bischof von Burgos, in den
Norden gefahren, um die schwäbische Prinzessin Beatrix einzuholen, mit der sich
sein König Ferdinand III., der Heilige, zu vermählen gedachte.
Don Mauricio
brachte aber nicht nur, wie ihm aufgetragen, die schöne Schwäbin mit nach
Burgos. Er sammelte auf dieser Reise auch viele Eindrücke über große Kirchen,
insbesondere in Frankreich, die im Stil der französischen Gotik errichtet oder
zumindest im Entstehen waren. Lange Zeit schon lag er seinem König in den
Ohren, die bestehende, sehr bescheidene Bischofskirche von Burgos abzureißen
und endlich eine auch dem König von Kastilien würdige große Kathedrale zu
bauen. Er hatte Erfolg. Am 20. Juli 1221 legte Ferdinand der Heilige den
Grundstein für die heutige Kathedrale. Don Mauricio aber hatte vorher schon
entschieden, dass diese im „neuen“ Stil, also im Stil der Gotik, zu errichten
sei. Schon neun Jahre später war der Chor der Kirche geschlossen. Jetzt konnte
man hier eine Messe lesen und Ferdinand anschließend in den Krieg gegen die
Mauren ziehen, denen er, wir haben das schon gehört, Cordoba, Sevilla, Cadiz
und Jaën abnahm.
Wer aber war
eigentlich
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