Auf dem spanischen Jakobsweg
ich meine beiden Gefährten.
Heinz muss
lachen: „Der verdreht ja wirklich die Augen, dass man sich überlegen müsste, ob
man ihn auf Pilgerreise mitnimmt.“
Und auch
unser Pfarrer protestiert nicht, dass wir schon wieder herumlästern: „Na ja,
der sieht offenkundig etwas viel Schöneres als uns verschwitzte Vagabunden.“
Aus Neugierde
besichtige ich zunächst einmal die eigentlichen Schlafräume, wir drei liegen ja
nur in dieser Heiligennische. Aber das, was ich entdecke, sagt mir, dass wir
hier in unserer Nische gut aufgehoben sind. Die Schlaf räume sind eng und
dunkel, man hat sie wohl auf einer später eingezogenen Zwischendecke des
ehemaligen Theaters untergebracht. Das ist zwar sehr originell, aber ich
fürchte, dass es hier ein besonders heftiges Schnarchgewitter geben könnte. So
gehe ich wieder in unsere Ecke zurück, zu Schinken und Rotwein und zu dem
fremden Heiligen an der Wand.
In der
Kirche Santa María, gleich neben der Herberge, treffen wir unseren wirklichen
Heiligen gleich dreimal an. In der steinernen Altarwand ist er oben als
„Matamoros“, also als „Maurentöter“, verewigt und darunter, etwas kleiner, als
frommer Pilger. Die Metamorphose, die er durchgemacht hat, ist uns ja schon
bekannt. Aber rechts vom Hauptaltar steht eine Jakobus-Statue, die mich
besonders beeindruckt. Wir treffen in dieser Kirche auch zwei ältere Pilger aus
Kärnten. Hager und von einem schweren Bauernleben in den Bergen gezeichnet, so
will es uns scheinen. Der eine hat allerdings wenig mit den Jakobusfiguren hier
im Sinn. Eine Statue links vom Hauptaltar, die den heiligen Peregrinus
verkörpert, hat es ihm so angetan, dass man den Eindruck gewinnt, als wolle er
die ganze Nacht hier kniend und betend verbringen und dazwischen allerweil auch
noch ein bisschen singen. Auf meine Anregung, sich doch auch mal die
Jakobusfigur auf der anderen Seite anzusehen, geht er erst gar nicht ein. „Den
hat es fei wirklich gegeben“, entgegnet er mir und deutet ergriffen auf den
heiligen Peregrinus. Beim Hinausgehen aus der Kirche müssen wir lachen und
unser Pilgerbruder aus Kärnten heißt bei uns fortan nur „Peregrin“. Seine große
Stunde sollte allerdings erst in der Pilgerherberge zu Burgos schlagen. Am
Marktplatz zu Belorado kann man gemütlich im Schatten großer Bäume sitzen, aber
heute findet man nur schwer einen freien Platz. Es gibt eine Fiesta, das
Erntedankfest wird gefeiert. Aus der ganzen Umgebung sind Menschen in das
Städtchen geströmt, Folklore-Gruppen aus Nordspanien werden bald mit dem Tanzen
beginnen. In einem Straßencafé trinken wir ein paar Glas Bier, dann schauen wir
uns die Tänze an. Wir meinen, dass uns viel geboten wird auf unserer
Pilgerreise. Später spielt dann eine Tanzkapelle mit den üblichen
Lautverstärkern, und wir ahnen, dass wir auch in der nahen Pilgerherberge eine
unruhige Nacht haben werden, obwohl wir nicht im Zentrum des zu erwartenden
Schnarchkonzertes liegen. Und so kam es dann auch. Das ganze Städtchen hallte
wider von Musik und Lärm und Lachen, die ganze Nacht hindurch bis in die
Morgenstunden hinein.
Vielleicht
war es der Wein oder das Bier, vielleicht auch der Lärm auf den Straßen.
Jedenfalls war ich gegen Morgen noch einmal tief eingeschlafen. Ich wache nämlich
erst auf, als schon die ersten Pilger mit Rucksack und Stock vorbei an uns die
Treppe hinuntergehen. Aber irgendwie scheinen sie nicht hinauszukommen durch
das große, schwere Holztor. Man hört, gleich unter uns, ein fortwährendes
Geraune, man spürt eine zunehmende Unruhe dort unten.
Heinz fängt
als erster damit an, seinen Rucksack zu packen. Tobias und ich gähnen noch ein
wenig vor uns hin. Draußen scheint es noch ziemlich dunkel zu sein. Aber die
Unruhe unter uns wird größer.
„Ich geh’
schon mal voraus, ich weiß gar nicht, was da unten los ist“ und schon stapft
auch Heinz die Treppe hinunter.
Nach kurzer
Zeit wird dort unten Beifall geklatscht, nicht frenetisch, wie es dieses
ehemalige Theater früher erlebt haben mag, eher verhalten, vielleicht wie im
Flugzeug, wenn die Chartermaschine aus Mallorca wieder auf dem heimatlichen
Flughafen aufgesetzt hat. Sobald der Beifall verebbt ist, wird es dort unten
allerdings ganz schnell still.
Etliche Stunden
später, schon in den Oca-Bergen, als wir wieder auf Heinz treffen, frage ich
ihn beim Weitergehen, was denn heute morgen da unten in der Herberge los
gewesen sei.
„Ach“, lacht
er, „die waren da schon eine halbe Stunde
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